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Ukraine Krieg hat Auswirkung auf Fleischindustrie

Mit einem Brandbrief an seine Kunden machte der Tönnies-Konzern kürzlich auf eine wirtschaftliche Notsituation aufmerksam, in der sich die Fleischbranche zurzeit befinde. Die Fleisch- und Wurstwarenindustrie sei von einer massiven Kostenexplosion betroffen, die ein wirtschaftliches Arbeiten nahezu unmöglich mache. Insbesondere in Folge des völlig unerwarteten russischen Angriffs auf die Ukraine sei die Lage äußerst angespannt.

Foto: bodkins18/Pixabay

Tönnies, als größter Fleischproduzent Deutschlands besonders betroffen, bat den Handel daher eindringlich, mit Preisanpassungen auf die Situation zu reagieren. Schon seit Jahren zeichne sich eine Entwicklung ab, die die Industrie z.B. durch Preiserhöhungen bei Energie, Verpackung, Logistik oder auch die Erhöhung der Mindestlöhne vor große Herausforderungen stelle. Nun sei jedoch durch den Wegfall von Lieferungen aus der Ukraine, den Ausfall von Arbeitskräften und Fahrern aus der Ukraine sowie weiteren kriegsbedingten Folgen und Ausfällen gemeinsames Handeln in Form von neuen Preisabschlüssen unabwendbar, so die Tönnies-Geschäftsführer in ihrem Schreiben. In diesem Zusammenhang wird auch auf eine Stellungnahme des niedersächsischen Agrarministeriums hingewiesen, nach der der Krieg in der Ukraine Außenhandelsbeziehungen und im schlimmsten Fall sogar die Versorgungssicherheit des Landes gefährden könnte. Außerdem begründeten sie ihren Appell mit allgemeinen Rohstoffengpässen.

So ist tatsächlich z.B. der Preis für Schweinefleisch und damit der Rohstoffpreis für die Fleisch- und Wurstverarbeitung in wenigen Wochen um 45% gestiegen. Auch der Preis für Rindfleisch stieg so hoch an wie nie zuvor. Gleichzeitig ist auch der Weizenpreis so hoch geklettert, dass viele Mäster ihr als Futter eingelagertes Getreide gewinnbringender auf dem freien Getreidemarkt verkaufen, wie Branchenexperten berichten. Weitere Fleischgiganten wie Vion oder Westfleisch hatten sich den Klagen angeschlossen und die Forderungen der Tönnies-Geschäftsführung unterstützt.

Mit Sicherheit lässt sich jetzt schon sagen, dass die Folgen des Krieges die Lebensmittelbranche härter treffen werden als die Einschränkungen der Corona-Maßnahmen.

Daher ist auch die Angst der Fleischproduzenten nachvollziehbar, dass ihr bisheriges Geschäftsgebaren durch die neuen Bedingungen an seine Grenzen stoßen könnte. Allerdings dürfen wir auch angesichts des Krieges nicht vergessen, welche Faktoren für den bisherigen wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich sind: Wie den meisten Unternehmen geht es auch der Fleischbranche darum, mit minimalem Einsatz maximalen Erfolg zu generieren. Je nach Studie werden 95-99% aller auf dem Markt befindlichen Fleisch- und Wurstwaren in der tierquälerischen Massentierhaltung produziert. Auch wenn sie niemand offen ausspricht – die Maxime lautet: Fleisch soll billig und überall, jederzeit und für jeden verfügbar sein. Die Kosten dafür tragen die Tiere und die meist ausländischen Arbeiter in den großen Schlachtfabriken, die unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten und leben müssen.

Ausgerechnet Tönnies sorgt hier immer wieder für negative Schlagzeilen. Zuletzt hatte der Konzern versucht, ukrainische Flüchtende an der polnischen Grenze als billige Arbeitskräfte für seine Fabriken zu gewinnen. Nachdem breite Kritik laut wurde, beendete Tönnies diese Anwerbeversuche (zumindest offiziell). Die gesamte Nutztierindustrie in ihrer heutigen Form, die hauptsächlich aus industrieller Massentierhaltung besteht und daraus ihre Gewinne zieht, funktioniert nur, weil sie den Tieren ihren Wert als Lebewesen abspricht. Solange sich daran nichts ändert, wird wohl auch auf ihrem Rücken das große Geschäft gemacht; in Kriegs- so wie in Friedenszeiten.

Jan Peifer