Artenschutz

Auch deutsche Zoos stellen Wildfänge zur Schau – Artenschutz geht anders

Die Antwort auf eine sogenannte „Kleine Anfrage“ der Linkspartei im Bundestag kam für viele Tierschützer nicht unerwartet. Die Fraktion wollte wissen, wie viele und welche seltenen bzw. bedrohten Tiere seit 2005 für die Unterbringung in Zoos nach Deutschland importiert wurden. Außerdem stellte sie die Frage, welche und wie viele solcher Tiere exportiert wurden, um sie in ausländischen Zoos unterzubringen oder um sie wieder auszuwildern.

Ein tolles Fotomotiv, doch die Elefanten würden lieber in Freiheit leben.
Ein tolles Fotomotiv, doch die Elefanten würden lieber in Freiheit leben. Foto: Jan Peifer

In den vergangenen 15 Jahren importierten deutsche Zoos demnach rund 1.900 artgeschützte seltene Tiere. Mit 43% stammte fast die Hälfte von ihnen nicht aus Züchtungen, sondern wurden in der Wildnis gefangen. Hierzu zählen vor allem verschiedene Papageien und andere Vögel, aber auch Menschenaffen, Krokodile, Nashörner und andere mehr. Ein Teil dieser Tiere wurde bereits vor der Unterzeichnung des Washingtoner Artenschutzabkommens 1973 gefangen. Im gleichen Zeitraum wurden knapp 2.500 artgeschützte Tiere ins Ausland ausgeführt – die meisten gingen an ausländische Zoos oder andere Einrichtungen. Nur 147 Tiere wurden offiziell ausgewildert. Einer der Gründe für dieses Missverhältnis ist sicherlich, dass Tiere unter den Haltungsbedingungen in zoologischen Betrieben kaum auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet werden können und dies deshalb auch nicht passiert.

Auch wenn in den letzten Jahrzehnten einige Zoos ihre Gehege vergrößert haben, können sie die Lebensbedingungen in freier Wildbahn nicht ansatzweise nachbilden.

So erstreckt sich etwa das Revier eines Tigers in der freien Natur über mehrere Hundert Quadratkilometer, das eines Eisbären auf durchschnittlich 150.000 Quadratkilometer. Elefanten legen im Schnitt rund 25 Kilometer pro Tag zurück, Delfine sogar mehrere Hundert Kilometer. Die Gehege der meisten Zoos sind nach dem sogenannten Säugetiergutachten von 1996 ausgerichtet, welches 2014 überarbeitet wurde und noch immer im krassen Gegensatz zu den tatsächlichen artgemäßen Anforderungen steht. Ein Elefantengehege muss hiernach mindestens 2.000 Quadratmeter groß sein, ein Gehege für Löwen und Tiger mindestens 200 Quadratmeter für ein Tier oder Paar.

Studien haben gezeigt, dass Tiere umso mehr unter den beengten Verhältnissen und fehlenden Rückzugsmöglichkeiten leiden, je größer ihr Revier in freier Natur ist. In freier Wildbahn ausgesetzt würden sie daher kaum überleben. Gleichzeitig können viele Tierarten, darunter zum Beispiel Haie oder Delfine, kaum oder gar nicht in Gefangenschaft gezüchtet werden. Zoos, die diese Tiere ausstellen möchten, sind also auf Wildfänge angewiesen. Diese Tiere leiden jedoch extrem in Gefangenschaften. So wurden etwa bei Delfinen bereits Depressionen beobachtet, die die intelligenten Meeressäuger bis zum Selbstmord treiben. So versuchen sie, dem Leiden zu entgehen. Immer wieder tauchen in diesem Zusammenhang auch Berichte auf, nach denen Zoobetreiber ihren Tieren Psychopharmaka verabreichen, um ihr Leiden vor den Besuchern zu verbergen. Aus diesen und anderen Gründen stehen Zoos seit langem in der Kritik.

Artenschutz und Bildung sind aus Sicht vieler Tierschützer nur vorgeschobene Argumente für den Betrieb von Zoos, finanzielle Interessen sind wohl oft wichtiger. Viele, vor allem städtische Zoos, erhalten millionenschwere Subventionen, die aus Steuergeldern bezahlt werden. Dieses Geld könnte viel sinnvoller eingesetzt werden, um die Erhaltung natürlicher Lebensräume bedrohter Tierarten in freier Wildbahn zu unterstützen und hierfür ein breites Bewusstsein zu schaffen und zu fördern. In freier Natur nahezu ausgestorbene Arten in Zoos künstlich am Leben zu erhalten ist hingegen kein Artenschutz. Die Haltung besonders von exotischen Tieren in Zoos ist zudem längst überholt und sollte auch nachfolgenden Generationen nicht vermittelt werden. Die neue Bundesregierung möchte die Bildungsarbeit zoologischer Gärten unterstützen – es bleibt zu hoffen, dass hier die richtigen Schwerpunkte gesetzt und irgendwann gar keine Tiere mehr für Ausstellungszwecke importiert werden.

Jan Peifer