Ein alltäglicher Skandal – Tiere in Zoos verfüttern?

Der Tiergarten Nürnberg ist einer von nur noch zwei zoologischen Einrichtungen in Deutschland, die Delfine halten. Dafür steht er seit langem in der Kritik. Doch seit Beginn des Jahres beschäftigt Tierschützer eine weitere Auseinandersetzung um den Nürnberger Zoo. Der Direktor des Tierparks hatte angekündigt, im Rahmen des sogenannten Populationsmanagements mehrere Guinea-Paviane töten zu wollen.

Männlicher Guinea-Pavian im Nürnberger Zoo.
Männlicher Guinea-Pavian im Nürnberger Zoo. Foto: Jakub Friedl CC BY-SA 2.0

Das Gehege des Tierparks sei für bis zu 25 Tiere ausgelegt, derzeit aber mit 45 Tieren heillos überbelegt. Ein Auswildern der Affen käme nicht in Frage, und mangels Interesses sei ebenso wenig eine Abgabe an andere zoologische Einrichtungen denkbar. Entsprechend groß war die Empörung, als diese Pläne bekannt wurden. Tierschützer ketteten sich vor dem Zoo an, saßen frierend demonstrierend auf der Straße. Der Zoodirektor hatte vom Umweltausschuss der Stadt Nürnberg Rückendeckung bekommen, falls sich keine andere Lösung als praktikabel herausstellen sollte, doch mittlerweile zeichnet sich wohl eine solche Möglichkeit ab. Direkt nach Bekanntwerden der Diskussion hatten sich mehrere internationale Primatenschutzstellen bzw. zoologische Einrichtungen gemeldet und eine Bereitschaft zur Übernahme signalisiert. Die Angebote wurden jedoch wegen Bedenken bei der artgerechten Haltung oder der Fachkunde des Betreuungspersonals zunächst abgelehnt.

Ein indischer Zoo habe nun aber die Voraussetzungen erfüllt, sein Angebot zur Übernahme wird geprüft. Ein Ausgang der Diskussion war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt, allerdings macht der aktuelle Fall auf eine wichtige Frage aufmerksam: Dürfen Tiere in Zoos getötet und dann auch verfüttert werden, und wenn ja, ist dies eine gängige Praxis oder ist der Tiergarten Nürnberg ein Einzelfall? Die Antwort lautet: Ja, das Töten und Verfüttern von Zootieren ist legal und ist auch in anderen Zoos an der Tagesordnung.

Show in der Delphinlagune des Nürnberger Tierparks
Show in der Delphinlagune des Nürnberger Tierparks Foto: Jed - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 commons.wikimedia

Die Gründe für das Verfüttern von Zootieren, sogar von gefährdeten Arten, sind vielfältig.

Zum einen haben sie mit dem Zuchtcharakter zu tun, den mittlerweile viele Zoos auch aufgrund der EU-Zoorichtlinie und dem Auftrag der Arterhaltung tragen. Tiere, die diesen Zuchtauftrag nicht erfüllen (können), gelten als überzählig. Auch Tiere, die nicht reinrassig sind, werden nicht für Zuchtzwecke eingesetzt. Besonders betroffen sind darüber hinaus oft männliche Tiere alleine wegen ihres Geschlechts. Denn viele Tierarten leben in sogenannten Haremsgruppen, die aus einem Männchen und mehreren Weibchen bestehen. Unter den in freier Wildbahn aufwachsenden Jungtieren solcher Gruppen werden Rangkämpfe ausgefochten, und die Verlierer müssen ihre Herde verlassen. Sie suchen einen neuen Anschluss oder leben als Einzelgänger. Im Zoo ist jedoch beides nicht möglich. Viele männliche Jungtiere werden daher aussortiert. Zum anderen haben zoologische Einrichtungen nur begrenzte räumliche Kapazitäten zur Verfügung, daher führt Platzmangel (wie in Nürnberg) schnell zur Entbehrlichkeit einzelner Tiere. Wie viele Tiere diesem Ausschussverfahren zum Opfer fallen, wird nicht erhoben. Der europäische Zooverband spricht von 3000 bis 5000 Zootieren pro Jahr in Europa.

Großer Tümmler im Delphinarium in Nürnberg.
Großer Tümmler im Delphinarium in Nürnberg. Foto: Onlineamsel - Eigenes Werk, Gemeinfrei

Tragen Zoos damit tatsächlich zum Artenschutz bei, ist dieser wirklich eine Legitimation für Zoos?

Nur ein Teil der weltweit in zoologischen Gärten gehaltenen Tierarten gilt als bedroht. Die allerwenigsten von ihnen werden im Rahmen von Nachzüchtungen jemals wieder erfolgreich ausgewildert. Im Gegenteil – noch immer werden Tiere in freier Wildbahn gefangen, um sie in Zoos auszustellen. So sind zum Beispiel (nach eigenen Angaben) zwei der insgesamt fünf Delfine im Nürnberger Delfinarium Wildfänge. Viel hilfreicher wäre es, die Zerstörung der ursprünglichen Lebensräume bedrohter Tierarten zu schützen, um ihnen eine Vermehrung vor Ort in ihren angestammten Habitaten (wieder) zu ermöglichen. Eine solche Strategie ist jedoch mit weit mehr Kosten und anderen Ressourcen verbunden. Die Diskussion um den Artenschutz muss sich aber auch solchen Herausforderungen stellen, um ernsthaft geführt werden zu können. Leider scheinen wirtschaftliche Faktoren von Zoos als Freizeitangebote zur Unterhaltung oft wichtiger zu sein. Bis auf dieser Ebene ein Umdenken stattfindet, wird wohl noch eine lange Zeit vergehen, und viele Tiere werden im Zoo sterben.

Jan Peifer