Massentierhaltung | Zirkus ohne Wildtiere

Auf Kosten der Tiere - Wie die Politik beim Tierschutz versagt

Im Mai 2002 wurde das Tierschutzgesetz im Grundgesetz verankert und damit als Staatsziel mit Verfassungsrang anerkannt. Ein riesiger Schritt für alle Menschen, denen der Tierschutz am Herzen lag und liegt. Seither sind einige wichtige und richtungsweisende Entscheidungen gefällt worden, Haltungsverordnungen erlassen oder angepasst worden und vieles mehr.

Millionen von Tieren leiden in der Massentierhaltung, alle politischen Parteien sprechen sich gegen die Massentierhaltung aus, doch niemand greift richtig durch. Foto: Jan Peifer

Auch ist mit der Aufnahme ins Grundgesetz das Tierschutzgesetz vielen Menschen überhaupt erst bekannt geworden. Viel Diskussion erregt noch heute der erste Paragraph, nachdem einem Tier ohne vernünftigen Grund kein Leiden oder Schmerzen zugefügt werden darf. Doch genau dies passiert insbesondere in der Massentierhaltung millionenfach, allein in Deutschland, jeden Tag. Denn was genau ist ein vernünftiger Grund, der dieses Leid rechtfertigt? 

Offiziell zählen zu den vernünftigen Gründen die Zucht und Haltung zur Gewinnung tierischer Nahrung für den Menschen. Dennoch sorgt genau dieser Paragraph immer wieder für Grundsatzdiskussionen und auch -entscheidungen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Abschaffung der konventionellen Legebatterien. Diese wurden in Deutschland 2009, EU-weit 2012 verboten. Schon die Ankündigung des Verbots wurde von Tierschützern als riesiger Erfolg gefeiert, da für viele die Legebatterie der Inbegriff der Massentierhaltung war. Doch sieht man genauer hin, muss dieser Erfolg relativiert werden. Denn die Legebatterie wurde abgelöst durch die sogenannte Kleingruppenhaltung von Legehennen. In dieser Haltungsform leben derzeit noch etwa 10% der Legehühner in Deutschland. Sie haben hier zwar geringfügig mehr Platz zur Verfügung, außerdem werden die Käfige als „ausgestaltete Volieren“ bezeichnet. Allerdings ist dies lediglich eine Beschönigung, eine artgerechte Haltung ist hier nicht im Ansatz möglich. Dies hat auch die Politik erkannt und deshalb beschlossen, die Kleingruppenhaltung ebenfalls zu beenden. 2025 läuft die Übergangsfrist aus; in Ausnahmefällen 2028.

Die Veränderung der Haltungsformen hin zu käfiglosen Alternativen ist natürlich erfreulich. Aber warum dauert das so lange?

Obwohl die Käfighaltung in der Legebatterie 2009 aus Tierschutzgründen verboten wurde, lebt fast 20 Jahre danach mit 10% (und EU-weit sogar über 50%) ein nicht unerheblicher Anteil der Legehennen noch immer hinter Gittern.

Ein anderes Beispiel für Tierleiden ohne vernünftigen Grund und wider besseres Wissen ist die Wildtierhaltung im Zirkus.

Eine artgerechte Haltung von Löwen, Elefanten und Nilpferden ist in einem Zirkusbetrieb nicht möglich. Österreich, Norwegen, Bulgarien, Belgien, England, Griechenland und viele andere europäische Länder haben die Wildtierhaltung im Zirkus deshalb verboten, teilweise dürfen überhaupt keine Tiere zu Show-Zwecken mehr mitgeführt werden. Auch der Deutsche Bundesrat hat sich bereits 2003, 2011 und 2016 für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus ausgesprochen. Die Bundesregierung hat den Beschluss jedoch nie umgesetzt. 2019 schließlich war ein entsprechender Antrag der Grünen im Bundestag mit großer Mehrheit durch die Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt worden – und das, obwohl die SPD sich vor der Regierungsbildung eindeutig für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus positioniert hatte. Diese Liste ließe sich weiter fortsetzen, auf vielen tierschutzrelevanten Gebieten wurden Versprechungen (teils durch die verantwortlichen Bundesminister) gemacht, die nie oder erst sehr viel später umgesetzt wurden, beispielsweise in der Kaninchenmast oder auch auf dem Gebiet der Tierversuche.

Teilweise verantwortlich hierfür sind politische Machtkämpfe.

So etwa in der Ablehnung des Wildtierverbots im Zirkus durch den Bundestag: Der kleinere Koalitionspartner SPD musste sein Wahlversprechen opfern, weil die CDU ausdrücklich nicht von ihrer Position (nämlich dem Festhalten an Wildtieren im Zirkus) abrücken wollte. Welcher politische Preis hierfür gezahlt wurde, ist ungewiss. Ein anderer Grund ist die extrem starke Verstrickung der Agrarindustrie und ihrer Funktionäre in die Politik, wo sie ihre Interessen geltend machen können. So müssen häufig Kompromisse geschlossen und im Falle von Veränderungen lange Übergangsfristen eingerichtet werden.

Nicht nur Deutschland ist davon betroffen, mittlerweile sind auch EU-politische Interessen wichtige Faktoren. Umso wichtiger ist und bleibt daher das außerparlamentarische Engagement zahlreicher Vereine und Nichtregierungsorganisationen, um immer wieder auf den massiven Handlungsbedarf unter tierschutzrelevanten Gesichtspunkten hinzuweisen.

Jan Peifer