Spaß im Zirkus - ohne Wildtiere!
Etwa die Hälfte der durch Deutschland reisenden Zirkusse führen immer noch Wildtiere wie Elefanten, Bären, Giraffen, Flusspferde oder Nashörner mit sich. Im Gegensatz zu unseren Haus- und Nutztieren wie Hunden, Katzen, Pferden und Schweinen, die teilweise seit Jahrtausenden in menschlicher Obhut leben, haben diese Zirkustiere den Prozess der Haustierwerdung (Domestikation) nicht durchlaufen. Sie sind, selbst wenn sie in Gefangenschaft geboren wurden, hinsichtlich ihres Aussehens, ihres Verhaltens und ihrer Bedürfnisse noch sehr nah an ihren wilden Verwandten, die frei im Ursprungsland leben.
Nicht artgerechte Haltung
Wildtiere haben sich über Jahrtausende hinweg ihrem natürlichen Lebensraum angepasst. Kein noch so großes Gehege ersetzt das Gebiet, welches ein Tiger, eine Giraffen- oder Elefantenherde durchstreift. Kein Planschbecken ist wie ein See in Afrika, in dem die Flusspferde grasen. Eine Haltung im Zirkus kann den natürlichen Bedürfnissen von Wildtieren daher nicht ansatzweise gerecht werden.
Etwa 50 Mal im Jahr zieht ein Zirkus im Durchschnitt zum nächsten Gastspielort. Die mitgeführten Wildtiere verbringen folglich während der Fahr-, Auf- und Abbauzeiten insgesamt etwa 100 Tage in engen und dunklen Transportwagen. An den Gastspielorten herrscht meist Platzmangel, so dass viele Zirkustiere über 90% ihrer Zeit in den Transportfahrzeugen verbringen. Elefanten werden oft ähnlich lange an Fußketten gehalten. Wenn überhaupt Außengehege errichtet werden, so sind diese meist sehr klein und nicht mit ausreichend Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten ausgestattet. Angeborene Verhaltensweisen der Wildtiere wie Graben, Klettern, Schwimmen und Jagen werden daher permanent unterbunden.
Auf die sozialen Bedürfnisse der „Tierartisten“ wird selten Rücksicht genommen. Gruppentiere wie Affen, Elefanten und Zebras werden häufig einzeln gehalten, Einzelgänger wie Großkatzen dagegen in Gruppen zusammengesperrt. Arttypische Ruhephasen wie die Winterruhe vieler Bärenarten passen zudem nicht in den Zirkusalltag, und die hiesigen Witterungs- und Klimaverhältnisse bereiten kälteempfindlichen Arten wie Elefanten große Probleme. Oft haben Zirkusse keine festen Winterquartiere mit großen Gehegen, wo sich die Tiere erholen können.
Zum Clown gemacht
Kein wildlebender Elefant macht einen Kopfstand, kein Bär balanciert freiwillig auf einem Ball, kein Löwe würde aus freien Stücken durch einen brennenden Reifen springen. Damit Wildtiere derartige „Kunststücke“ vorführen, bedarf es äußerst fragwürdiger Trainingsmethoden unter Einsatz physischer und psychischer Gewalt. Körperliche Bestrafung durch Prügeln mit Elefantenhaken oder Peitschen sind durchaus üblich. Auch Elektroschocks oder zu enge Halsbänder finden Anwendung. Für Wildtiere bedeutet Dressur keine „willkommene Abwechslung“ im monotonen Alltag, wie Tiertrainer häufig behaupten, sondern erheblichen Stress. Aus Angst vor Verletzungen werden außerdem Elefanten die Enden der Stoßzähne abgesägt, Bären und Raubkatzen die Zähne und Krallen entfernt. Eine ausreichende tierärztliche Behandlung kranker Tiere findet meistens auch aufgrund des ständigen Ortswechsels nicht statt. Man transportiert die betroffenen Tiere weiter von einem Gastspielort zum nächsten, bis sie tot umfallen.
Psychische und physische Schäden
Das fast ununterbrochene Eingepferchtsein und die artwidrigen Dressuren haben schwerwiegende Auswirkungen auf den physischen und psychischen Zustand der Zirkustiere. Allein in den letzten zehn Jahren ist etwa ein Drittel des gesamten Bestandes an Elefanten im Zirkus vorzeitig verstorben. Weit verbreitet sind stereotype Verhaltensstörungen wie zwanghaftes Hin- und Herlaufen oder das sogenannte Weben bei Elefanten. Hierbei deutet der Elefant Vor- und Rückschritte an, schaukelt rhythmisch mit dem Körper und schwingt den Rüssel.
Es geht auch ohne
Dass Zirkus auch ohne tierquälerische Wildtiernummern unterhaltsam sein kann, zeigen diverse moderne Unternehmen wie der Chinesische Nationalcircus oder der Cirque du Soleil, die mit ihrem Programm aus Artistik, Musik und Theater weltweit riesige Erfolge feiern. Der Verzicht auf Tiere bedeutet also nicht das Aus für den Zirkus, sondern das Ende von großem Tierleid!
Ausbrüche und Unfälle
Da das Verhalten von Wildtieren grundsätzlich instinktgesteuert und daher unberechenbar ist, kommt es immer wieder zu Angriffen, vor allem auf Dompteure und Pflegepersonal. Nur die spektakulärsten Fälle wie beispielsweise die schwere Beißattacke eines weißen Tigers auf den Magier Roy im Jahr 2003 gelangten an die Öffentlichkeit. Elefanten etwa, die gemeinhin als sanftmütig gelten, zählen zu den gefährlichsten Wildtieren. Immer wieder werden Menschen von Zirkuselefanten schwer verletzt oder sogar getötet. Auch Ausbrüche aus den provisorischen Gehegen sind fast schon an der Tagesordnung. Wenn die panischen Bären, Elefanten, Löwen oder Zebras dann kopflos durch die Straßen rennen, kommen oft Menschen und die Tiere selbst zu Schaden.
Geringer gesetzlicher Schutz
Auch Wildtiere im Zirkus unterstehen dem Deutschen Tierschutzgesetz. Ergänzend hierzu sollen die leider nicht rechtsverbindlichen „Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben und ähnlichen Einrichtungen“ wenigstens Mindeststandards in der Tierhaltung gewährleisten. Aufgrund des häufigen Ortswechsels sind amtliche Kontrollen von Zirkusbetrieben jedoch grundsätzlich sehr schwierig. Wenn sie denn stattfinden, werden angeblich bei fast jeder zweiten Visite Missstände und teilweise gravierende Verstöße gegen geltende Tierschutzvorschriften festgestellt. In vielen Zirkussen fehlt es an Fachwissen, finanziellen Mitteln und der Bereitschaft, die minimalen Tierschutzvorgaben zu erfüllen.
Auch das 2011 in Kraft getretene sogenannte Zirkuszentralregister bringt nicht den erhofften Erfolg. In dieser elektronischen Datenbank sollen relevante Informationen zu den einzelnen Zirkussen und deren Tierbestand erfasst und sämtlichen Veterinärbehörden zugänglich gemacht werden. Funktionieren kann dieses System nur, wenn jeder Zirkus regelmäßig kontrolliert wird und die Ergebnisse im Register eingestellt werden. Das können die meisten Veterinärämter jedoch nicht leisten, da sie personell schlecht aufgestellt und mit ihren grundsätzlichen Aufgaben voll ausgelastet sind.
Viele Behörden handeln auch deshalb nicht, weil sie keine Unterbringungsmöglichkeiten für beschlagnahmte Zirkustiere haben. Es gibt hierzulande keine speziellen Auffangstationen, und nur wenige Zoos sind bereit und in der Lage, behördlich eingezogene Großtiere aufzunehmen.
Statt auf ein vielleicht nie kommendes bundesweites Wildtierverbot zu warten, haben bereits rund 80 deutsche Städte wie Köln, Bonn, Leipzig, Stuttgart, sowie zehn Berliner Bezirke eigenverantwortlich entschieden, keine kommunalen Flächen mehr an Zirkusbetriebe zu vermieten, die Wildtiere mitführen.
Ein bundesweites gesetzliches Verbot von Wildtieren im Zirkus würde das Leiden der betroffenen Lebewesen dauerhaft und nachhaltig beenden. Derartige nationale Vorschriften gibt es bereits in zahlreichen Ländern (z.B. Bulgarien, Dänemark, Irland, Österreich, Costa Rica, Israel, Peru). Sollte sich die deutsche Regierung irgendwann zu diesem Schritt durchringen, würden entsprechende Übergangsregelungen dafür sorgen, dass aktuell vorhandene Tiere bis zu deren Lebensende behalten, neue jedoch nicht mehr angeschafft werden dürften. Somit würden Wildtiere im Zirkus im Laufe der Zeit „aussterben“.
Das können Sie tun
- Besuchen Sie keinen Zirkus mit Wildtiernummern und Tierschauen.
- Schreiben Sie an Zirkusunternehmen, die mit Wildtieren arbeiten, und kritisieren Sie offen diese Praxis.
- Wenden Sie sich mit Leserbriefen an die lokalen Presseorgane, wenn solche Zirkusse in Ihrer Heimatstadt auftreten.
- Nehmen Sie Ihre Bundestagsabgeordneten in die Pflicht, und fordern Sie ihn auf, sich für ein Wildtierverbot in Zirkussen aktiv einzusetzen.
- Melden Sie Zirkusunternehmen mit Missständen in der Tierhaltung dem zuständigen Veterinäramt.
Kampagnenvideo
Kampagnenstart von "Spaß im Zirkus - ohne Wildtiere" in München
Um auf das Leiden der Wildtiere im Zirkus aufmerksam zu machen, hat aktion tier e.V. im Sommer 2010 eine bundesweite Aufklärungskampagne durchgeführt. Den Auftakt machte eine Open-Air-Aktion auf dem Marienplatz in München. Wir hatten aus Strohballen eine provisorische Zirkusarena errichtet, die von den Stelzentänzern des Zick Zack- Traumtheaters bespielt wurde – quasi Zirkus ohne Tiere. Kampagnenbegleitend haben wir 1.500 Unterschriften für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus gesammelt und im September 2011 dem Bundestagsabgeordneten Hans-Michael Goldmann überreicht.
1.500 Unterschriften für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus überreicht
In Berlin überreicht aktion tier dem Bundestagsabgeordneten Hans-Michael Goldmann und weiteren Mitgliedern des Deutschen Bundestages rund 1.500 Unterschriften. aktion tier führte im Sommer letzten Jahres die Kampagne „Spaß im Zirkus ohne Wildtiere“ durch. Begleitend hierzu sammelte der Tierschutzverein Unterschriften für ein bundesweites Verbot von Wildtieren im Zirkus.
„Wir freuen uns, dass innerhalb des 3-monatigen Kampagnenzeitraums immerhin 1.500 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern zusammen gekommen sind“, sagt Ann Kari Sieme von aktion tier- Berlin. Heute hat der Bundestagsabgeordnete Herr Hans-Michael Goldmann die Unterschriften im Paul-Löbe-Haus entgegen genommen. Herr Hans-Michael Goldmann, MdB, ist Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Übergabe der gesammelten Unterschriften fand vor dem gesamten Ausschuss, der auch für den Tierschutz zuständig ist, statt. Neben den Unterschriften wurde auch ein großer, rot-weiß-gestreiften Ball überreicht. „Um das Leiden der Zirkustiere unter anderem durch artfremde Dressuren zu verdeutlichen, hatten wir als Leitbild unserer Kampagne das Foto eines Baby-Elefanten ausgesucht, der auf einem Ball balanciert“, erklärt Ann Kari Sieme. „Der Ball ohne Elefant soll nun den Spaß symbolisieren, den man auch ohne Wildtiere im Zirkus haben kann“, so die aktion tier- Mitarbeiterin weiter.
Der Verzicht auf Wildtiere bedeutet nicht das Aus für den Zirkus, sondern das Ende von großem Tierleid. Diese Auffassung vertritt auch Hans-Michael Goldmann. Der studierte Tierarzt und Tierschutzpolitische Sprecher der FDP- Bundestagsfraktion versprach, sich dafür einzusetzen, dass das von der Bundestierärztekammer schon lange geforderte und bereits 2003 vom Bundesrat beschlossene grundsätzliche Halteverbot von Wildtieren im Zirkus endlich auch von dem zuständigen Ministerium umgesetzt wird.
Derzeit reisen durch Deutschland ca. 350 kleine und große Zirkusunternehmen. Die meisten von ihnen führen Wildtiere wie Elefanten, Bären, Giraffen, Flusspferde und Nashörner mit sich. "Aufgrund des häufigen Ortswechsels verbringen viele Zirkustiere etwa 100 Tage im Jahr in engen und dunklen Transportwagen“, sagt Ann Kari Sieme von aktion tier- Berlin. Selbst wenn Außengehege vorhanden sind können diese hinsichtlich Größe und Ausstattung nicht annähernd Ersatz für die natürlichen Lebensräume der Wildtiere bieten. Das Ausleben angeborener Verhaltensweisen wie Graben, Klettern, Schwimmen und Jagen wird ständig unterdrückt, hinzu kommen artfremde Dressuren und Auftritte in der Manege. Die Wildtiere im Zirkus stehen unter Stress, entwickeln Verhaltensstörungen, sind anfällig für Krankheiten und sterben früher als ihre Artgenossen in freier Wildbahn. In vielen Ländern sind Wildtiere im Zirkus bereits generell verboten.
„Durch unsere gesammelten Unterschriften hoffen wir, den Entwicklungsprozess weiter voran zu treiben, damit auch Deutschland endlich ein bundeseinheitliches Wildtierverbot im Zirkus erlässt“, so Ann Kari Sieme von aktion tier abschließend.