Zirkus ohne Wildtiere

Kommt das Wildtierverbot im Zirkus?

Für die allermeisten Menschen gehören insbesondere Wildtiere nicht in die Zirkus-Manege. Je nach Umfrage sprechen sich über 80% der Befragten für ein Verbot aus. Dies ist kein neuer Trend; mehr als 20 europäische Staaten haben Wildtiere im Zirkus bereits ganz oder teilweise verboten, einige Länder wie Griechenland, Bosnien-Herzegowina oder Zypern haben sogar die Zurschaustellung sämtlicher Tiere im Zirkus untersagt. Auch in Deutschland wird schon lange über ein Verbot von Wildtieren gestritten, denn eine artgerechte Tierhaltung ist in Zirkusbetrieben auf die Dauer oft nicht möglich. Dies betont auch die Bundestierärztekammer.

Nashorn im Zirkus
Viele im Zirkus gehaltenen Tiere werden mit der Zeit stumpfsinnig. Foto: Jan Peifer

Insbesondere Wildtiere leiden darunter, dass sie artspezifische Verhaltensweisen nicht ausleben können, dass sie kaum Beschäftigung haben und nicht angemessen betreut und gepflegt werden (können). Darüber hinaus leiden viele Tiere unter der Dressur zu unnatürlichen Kunststücken und enormem Stress, hervorgerufen durch zu wenig Platz, ständige Ortswechsel und den Lärm der Zirkusvorstellung. Außerdem fehlt vielen Zirkusbetreibern offenbar die nötige Sachkunde im Umgang mit den Tieren; so kommt es immer wieder zu Unfällen mit Verletzten oder gar Toten unter Mensch und Tier. Aus diesen Gründen hat der Bundesrat nach 2003 und 2011 im Jahr 2016 bereits zum dritten Mal ein Verbot von Wildtieren im Zirkus gefordert.

Die Mehrheit der Agrarminister sprach sich zuletzt im Rahmen einer Agrarministerkonferenz 2019 für ein Wildtierverbot aus.

Die Bundesregierung allerdings hat es bis heute nicht umgesetzt. Über 100 Städte und Gemeinden behelfen sich daher seit Jahren mit Auftrittsverboten und verpachten keine Auftrittsflächen mehr an Zirkusbetriebe, die Wildtiere mitführen. Umso erfreuter reagierten Tierschützer daher auf die Ankündigung von Bundesagrarministerin Julia Klöckner im Sommer 2020, eine Verordnung zum Schutz von Tieren in Zirkussen zu erlassen. Demnach sollte es Zirkusunternehmen aus Tierschutzgründen untersagt werden, bestimmte Wildtierarten anzuschaffen. Dazu sollen Giraffen, Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Affen und Bären gehören. Die offizielle Begründung lautete: Wildtiere haben in der Manege nichts verloren, eine artgerechte Haltung sei im Zirkus teilweise nicht möglich.

Vielen Organisationen und Vereinen aber geht die geplante Einschränkung nicht weit genug. Denn für Tiere, die schon im Zirkus leben, soll sie nicht gelten. Diese sollen weiter gehalten und vorgeführt werden dürfen. Nach Angaben von Insidern werden zudem derzeit deutschlandweit lediglich zwei Giraffen und ein Flusspferd von Zirkussen mitgeführt. Löwen, Tiger und andere Großkatzen werden in dem Verordnungsentwurf gar nicht erwähnt, dabei sind vor allem sie es, mit denen auf Werbeplakaten um Zuschauer geworben wird. Offiziell begründet wird die zögerliche Vorschrift mit Bedenken um Rechtsstreitigkeiten. Die Befürchtung lautet, Zirkusbetreiber könnten sich in der Ausübung ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt sehen und dagegen klagen. Doch dieses Argument lassen Kritiker nicht gelten: Seit Jahrzehnten wächst die Kritik an der Wildtierhaltung im Zirkus. Vor fast 20 Jahren hatte sich der Bundesrat zum ersten Mal für ein Wildtierverbot ausgesprochen.

Längst hätte ein Weg gefunden werden können, die Wildtierhaltung im Zirkus zu beenden.

So gab es eine vergleichbare Entwicklung im Bereich der Pelztierzucht. Schrittweise wurden hier die Haltungsbedingungen soweit verschärft und die zu erfüllenden Voraussetzungen soweit an die artspezifischen Bedürfnisse von Pelztieren (v.a. Nerzen) angepasst, dass eine kommerzielle Zucht und Haltung nicht mehr rentabel war. Vor wenigen Jahren wurden dann die letzten Pelzfarmen in Deutschland geschlossen. Ein ähnliches Vorgehen wäre auch im Bereich der Tierhaltung im Zirkus möglich, doch bisher ist die Zukunft ungewiss. Im nächsten Schritt können nun Bundesländer und Fachverbände Stellungnahmen zu dem Verordnungsentwurf abgeben, anschließend beschließt der Bundesrat darüber.

Jan Peifer