Hauskaninchen

Hilfe für Kaninchenbabys

Manchmal ist das Leben gemein. Unter Umständen schon vom ersten Tag an. So kann auch ein Kaninchenbaby Pech haben. Es wird von seiner Mama nicht angenommen. Oder die Mutter hat zu viele Jungtiere und kann nicht allen gerecht werden. Im schlimmsten Fall ist die Mutter bei der Geburt gestorben. Dann bekommt das Kleine keine Milch. Ohne menschliche Hilfe ist es dem Tod geweiht. Es braucht dringend entweder eine Amme oder zumindest Ersatzmilch, um überleben zu können.

Nehmen die Jungtiere ordentlich zu, ist alles in Butter. Wenn nicht, muss öfter gefüttert oder sogar ein Tierarzt aufgesucht werden. Foto: artelanas / Lizenz: CC0 1.0 Universell CC0 1.0

Jetzt ist der Tierfreund gefragt. Er kann in diesem Fall Leben retten. Allerdings muss er auf einige Dinge achten, damit aus dem kleinen Waisen ein properes Kaninchen werden kann.

Die Fütterung

Kaninchenmütter säugen ihre Jungen ein bis zwei Monate lang. Die Babys werden blind und nackt geboren. Die Mutter stillt lediglich ein bis zwei Mal pro Tag. Müssen Kaninchen von Hand aufgezogen werden, reicht das jedoch nicht. Oft wollen die Kleinen zunächst nicht trinken und müssen erst sanft überzeugt werden. Daher ist es nötig, sie öfter zu füttern. Zu Beginn alle zwei bis drei Stunden. Wenn die Kleinen ab der zweiten Lebenswoche schön zugenommen haben, reichen dann alle vier bis sechs Stunden aus. Wie viel Milch pro Mahlzeit gefüttert werden muss, ist individuell sehr unterschiedlich. Man kann aber über den Daumen sagen, dass pro Fütterung mindesten ein Milliliter Ersatzmilch im Kaninchenbauch landen muss. Allerdings dürfen die Tiere auch viel mehr essen, wenn sie wollen. Ab der vierten Lebenswoche fangen die Kleinen an, feste Nahrung zu sich zu nehmen.

Für die Handaufzucht von Kaninchen benötigen Sie folgende Utensilien:

  • Eine 1 ml-Spritze (ohne Nadel) oder spezielle Kaninchen-Nuckelfläschchen
  • Katzenaufzuchtmilch aus dem Zooladen oder vom Tierarzt, keinesfalls darf stattdessen Kondens-, Kuh-, Säuglings- oder normale Katzenmilch verwendet werden!
  • Kamillen- oder Fencheltee
  • Gemahlenes Heu aus dem Fachhandel oder vom Tierarzt zum Anrühren ab der vierten Woche
  • Wärmedecke bzw. Wärmflasche oder auch eine Rotlichtlampe

Die Nahrungszusammensetzung

Als Milchersatz eignet sich Katzenaufzuchtmilch. Diese Ersatzmilch wird bei jeder Fütterung frisch angerührt und 1:1 mit Fenchel- oder Kamillentee vermischt. Sie darf weder zu warm noch zu kalt sein. Im optimalen Fall hat sie 37-38°C. Dies prüft man, indem man einen Tropfen auf die Innenseite der Handgelenke gibt. Spürt man diesen Tropfen kaum, hat die Mischung die richtige Temperatur. Bekommen die Babys nach der Fütterung einen harten Bauch, kann man sich in der Apotheke ein Mittel besorgen, das die Gasbläschenbildung unterbindet. Dieses Präparat ist normalerweise für Säuglinge mit Darmkoliken gedacht. Kaninchen hilft es aber auch. Ein Tropfen pro Flasche ist meist ausreichend. Ob der Bauch wirklich aufgegast oder nur voll gefressen ist, kann man durch leichtes Antippen unterscheiden. Klingt das dabei entstehende Geräusch hohl, ist der Darm voll Gas. Dann darf bis zu einem Milliliter der gaslösenden Medizin gegeben werden. Verschwindet die Gasblase auch nicht mit Hilfe der Tropfen, muss nach spätestens sechs Stunden ein Tierarzt aufgesucht werden. Dann liegt ein Notfall vor. Ab der zweiten Lebenswoche darf der Milch zudem ein Tropfen pflanzliches Öl zugesetzt werden, damit die Kleinen ausreichend Kalorien zu sich nehmen. Ab der dritten Woche wird zu einem bis zwei Fläschchen pro Tag ein wenig Heupulver gemischt. Eine kleine Menge reicht zunächst, der Darm der Kaninchen muss sich an das neue Futtermittel gewöhnen. Die Menge wird dann täglich gesteigert. Ab der vierten Lebenswoche darf es dann schon halb Milch-, halb Pflanzenmischung sein. Immer unter der Voraussetzung, dass sich die Babys gut entwickeln. Auch ein bisschen Gemüse darf ab jetzt immer im Käfig liegen, so dass die Kleinen auch diese Leckereinen allmählich kennen lernen. Gefüttert wird bis die Jungtiere sicher sitzen und hoppeln und den Nahrungsbrei aus flachen Schälchen aufnehmen können. Auch dann erst darf Wasser aus flachen Schalen (z.B. Blumentopfuntersetzer) angeboten werden. Stellt man schon vorher Wassernäpfe in den Käfig, können Kaninchen durch unglückliches Hineinfallen darin tatsächlich ertrinken! Spätestens nach acht Wochen ist es geschafft. Die Jungtiere fressen selber und das Zufüttern entfällt.

Die Haltung beim Füttern

Man wickelt die Babys vorsichtig in ein Tuch und hält sie in einer Hand. So kann man sie einigermaßen ruhig halten. Man darf die Kleinen beim Fläschchen geben nicht auf den Rücken drehen, sonst verschlucken sie sich oder es gelangt Milch in die Nase. Im schlimmsten Fall kann das zu einer Lungenentzündung führen, die die Kleinen oft nicht überleben. Am besten man imitiert die Haltung, die die Kaninchenbabys beim natürlichen Säugen einnehmen: Hinterbeine etwas tiefer als Vorderbeine, Kopf nach oben, Bauch nach unten. Dann gibt man die Milch in einzelnen Tropfen ins Maul. Dabei muss immer gewartet werden bis die Flüssigkeit wirklich abgeschluckt wurde. Nach jedem Milliliter legt man eine Fütterungspause ein, damit die Babys sich nicht überfressen. Nur mit Hilfe dieser Pausen merken die Kleinen, wann sie wirklich satt sind. Nuckeln sie hingegen dankbar und gierig an der Flasche, füttert man weiter, bis der Eifer abnimmt. Nach der Fütterung genießen die Kaninchen es, wenn man ihnen vorsichtig den Bauch massiert. Dazu streichelt man ganz sanft in Richtung After, um die Verdauung anzuregen. Auch dabei darf das Baby nicht in Rückenlage gehalten werden. Das Streicheln soll das Ablecken durch die Mutter ersetzen und so lange fortgeführt werden, bis der Waise Kot absetzt.

Das Nest

Die Kleinen müssen in einem separaten Käfig untergebracht werden. Vergesellschaftet man sie mit älteren Kaninchen, kann es passieren, dass die alten Tiere die Babys tot beißen. Es gibt bei Kaninchen keinen Welpenschutz. Eine Ausnahme bilden Jungtiere aus sehr großen Würfen. Sie müssen lediglich zugefüttert werden und verbleiben im Käfig der Mutter. Im Käfig selber sollte es unterschiedliche Temperaturbereiche geben, so dass die Kleinen selbst wählen können, wie warm sie es haben wollen. Auf eine Seite der Behausung gehört die Wärmedecke bzw. -flasche oder Wärmestrahler, auf der anderen Käfigseite darf es etwas kühler sein. Überhitzen dürfen die Babys keinesfalls.

Die Einstreu sollte mit unbehandelten, staubfreien Holzspänen erfolgen. Auf diese Lage kommt eine Schicht Heu. Darauf richtet man kuschelige Nester aus mit Stoff überzogenen Kissen ein, so dass die Kaninchenkinder weich und gemütlich gebettet sind. Wie bei allen Einrichtungsgegenständen für Nager ist es wichtig, darauf zu achten, dass Materialen verwendet werden, die den Kaninchen nicht schaden, selbst wenn sie daran knabbern und etwas davon verschlucken. Für die Kissen eignen sich somit zum Beispiel Leinenbezüge. Sie können auch problemlos gewechselt werden, wenn sie durch Kot und Urin verschmutzt werden. Kaninchenwaisen ohne Schutz haben Ängste. Diese Angst kann ihnen etwas genommen werden, wenn man den Nestbereich abdunkelt. Dies kann geschehen, indem man eine Decke über die Seite des Käfigs legt, in dem sich das Nest befindet oder man stülpt einen Pappkarton über die auf dem Kissen liegenden Kleinen. So fühlen sie sich behütet und geschützt.

Die Pflege darüber hinaus

Mindestens einmal pro Tag wird das Gewicht überprüft. Entweder immer vor dem Füttern oder danach wird gewogen, damit die Werte gut verglichen werden können. Nehmen die Jungtiere ordentlich zu, ist alles in Butter. Wenn nicht, muss öfter gefüttert oder sogar ein Tierarzt aufgesucht werden. Da die Jungtiere keine Reserven haben, darf man damit nicht zu lange warten, sonst geht es schnell bergab. Ein Zusammenbringen mit älteren Tieren kann erst nach dem vierten Lebensmonat erfolgen. Eine frühere Vergesellschaftung darf nur mit einem sehr sanften weiblichen Tier versucht werden, das selber schon Jungtiere hatte. Unter Umständen ist so ein Kaninchenweibchen bereit, die Kleinen zu tolerieren. Von ihr können sie dann früh das arteigene Sozialverhalten erlernen. Um sicher zu gehen, dass die Kleinen gesund sind, ist es ratsam, beim Tierarzt Kotproben auf Parasiten untersuchen zu lassen.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.