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Oh Tannenbaum… Nachdenkliches zum Fest

Eigentlich müsste der Anfang dieses alten Weihnachtsliedes „Oh je, Tannenbaum …“ oder „Oh, du armer Tannenbaum“ heißen. Denn die Bäume sind wirklich nicht zu beneiden. Einzig gepflanzt, um nach wenigen Jahren gefällt und kurzzeitig als Deko und Stimmungsmacher benutzt zu werden.

Weihnchtsbaum-Plantagen sind ökologisch wertlose Monokulturen. Foto: Nathaniel_Young, iStock

Der Naturbaum zu Weihnachten liegt nach wie vor voll im Trend. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland fast 30 Millionen Koniferen gekauft. Die Tendenz ist sogar seit Jahren steigend, da viele Haushalte inzwischen auch noch einen zusätzlichen Christbaum auf dem Balkon oder im Garten aufstellen möchten. 

Für Millionen Deutsche muss es ein echter Baum sein. Foto: © Ursula Bauer

Die Lust auf immergrünes Nadelgehölz überfällt die Menschen bereits Ende November, wenn die Händler ihr Saisongeschäft starten und an gefühlt jeder Ecke die abgeschlagenen Bäume anbieten. Kurz nach den Feiertagen fliegt das Grünzeug dann aber gleich wieder raus. Schließlich warten mit Silvester, Karneval und vielleicht sogar Ostern schon die nächsten Anlässe darauf, angemessen zelebriert zu werden. 

Der Anblick der obdachlosen Weihnachtsbäumchen, die, teilweise noch mit Lametta an den Nadeln, achtlos zwischen Hundehaufen am Straßenrand liegen, bricht mir immer das Herz. Wie schnelllebig und oberflächlich wird Weihnachten doch abgearbeitet. Auf Grußkarten wird ein besinnliches Fest gewünscht, aber wo bitteschön findet diese beschauliche Nachdenklichkeit statt? Mit Sicherheit nicht unter dem Weihnachtsbaum. Der ist in der Regel nur die dekorative Kulisse für die ständig wachsenden Geschenkeberge.

Und wie ungerecht ist es, dass die Koniferen, die viele hundert Jahre alt werden können, im zarten Säuglingsalter von durchschnittlich zehn Jahren getötet werden. Mir drängt sich da der Vergleich mit Kälbern oder Lämmern auf, denen man auch nur rund 2% ihrer eigentlichen Lebenserwartung zugesteht, bevor sie geschlachtet werden.

So groß und schön können Nadelbäume werden, wenn man sie wachsen lässt: Kapitale, über 20 Meter hohe Fichte im Schwarzwald. Foto: © Ursula Bauer

Außerdem frage ich mich alle Jahre wieder: Haben Bäume Gefühle?

Lieben und Hassen können sie wahrscheinlich nicht. Zum Glück, denn wenn uns die Millionen gefällter Weihnachtsbäume mit ihrem Hass verfolgten, wäre das Fest wahrscheinlich unerträglich. Pflanzen sollen aber durchaus auf Umweltreize wie beispielsweise Musik reagieren. Sanftes Zureden kann das Wachstum anregen, während Berührungen dieses stark hemmen und sogar die Erbsubstanz verändern sollen. Das muss die Vorfreude aber nicht trüben, denn wenn der Baum gefällt ist, sterben die Zellen und das darin enthaltene genetische Material sowieso ab.

Und Schmerz können nur Lebewesen empfinden, die ein Gehirn besitzen. Bäume fühlen also keinen Schmerz, wenn die Motorsäge angesetzt wird. Trotzdem hatte ich schon als Kind immer das beklemmende Gefühl, dass hier Lebewesen „geschlachtet“ werden. Und ja, die Weihnachtsbäume bluten, denn aus den Schnittwunden läuft das bernsteinfarbene, aromatisch duftende Baumharz.

Ein weiterer Aspekt, der mich schwermütig stimmt: die in meinen Augen grausame, ausschließlich auf das Äußere reduzierte Auswahl der Bäume. Übrig bleiben die mickrigen, schief gewachsenen, die mit lichten Stellen und schütteren Nadeln. Die dürfen dann nicht einmal für eine kurze Zeit Star sein, geschmückt im erleuchteten Weihnachtszimmer stehen und gestreichelt werden von den die Ah- und Oh-Rufen der Bewohner und Gäste.

Was sind die Alternativen?

Der Baum aus dem Wald

Oft bieten Förster oder Landwirte die Möglichkeit, sich am Wuchsort einen Baum auszusuchen und vielleicht sogar eigenhändig zu schlagen. Auf diese Weise müssen nur Bäume sterben, die auch verwendet werden. Beim kommerziellen Weihnachtsbaumgeschäft bleiben ja Hunderte übrig und sind umsonst gefällt worden. Trotzdem kommt mir dieses zum vorweihnachtlichen Event für die ganze Familie hochstilisierte Baumbesorgen genauso schlimm vor wie das gemeinsame Aussuchen einer noch lebenden Weihnachtsgans.

Der Baum mit Wurzelballen

Auf den ersten Blick eine gute Idee, da bei dieser Variante alle Vorteile vereint sind. Reine Freude, aromatischer Duft und das Naturprodukt ganz ohne Leid. Allerdings muss man nach dem Fest ein geeignetes Plätzchen zum Auspflanzen finden, an dem der Baum dann auch viele Jahre stehen und wachsen kann. Also nicht unmittelbar am Haus und auch nicht an der Grundstücksgrenze. Wenn man regelmäßig mit Spatenstichen die Ausbreitung der Wurzeln begrenzt, kann man die Konifere mehrere Jahre immer wieder in einem Topf in die Wohnung holen. Theoretisch – denn praktisch überstehen die Pflanzen oft den Wechsel von drinnen nach draußen und umgekehrt nicht. Als Zweitbaum für den Balkon eignen sie sich aber auf jeden Fall, und auch der im Garten ausgepflanzte Baum kann schön geschmückt und beleuchtet werden.

Künstliche Weihnachtsbäume

Kunstbäume sind weit verbreitet, und vor allem in Ländern, wo keine Tannen wachsen, ist man hinsichtlich Material und Design sehr erfinderisch. Aber auch in Deutschland wurden, wahrscheinlich aus Kostengründen, bereits im 18. Jahrhundert Weihnachtsbäume aus Metallgestellen und grün gefärbten Gänsefedern hergestellt. Heute gibt es eine Vielzahl an „Weihnachtsbaum-Deko-Objekten“ aus unterschiedlichen Stoffen, in diversen Formen und Farben.

Die wohl beliebteste Kunst-Variante ist allerdings der möglichst natürlich aussehende Plastik-Weihnachtsbaum. Und obwohl ich versuche, Plastikmüll zu vermeiden … Mit einem Polyethylenbaum kann ich leben. Und tue es auch seit ca. zehn Jahren. Die Anschaffung meines recht großen und täuschend echt aussehenden Kunstbaumes für gerade mal 34 Euro hat sich gelohnt. Er wird intensiv genutzt. Mal von mir, mal wird er an Freunde verliehen, denen ich die Lust am echten Christbaum gründlich vermiest habe. Nach dem Fest wird er wieder auseinandergenommen, klein gebogen und im Keller verstaut. Nachteil: Die Ökobilanz eines Plastikbaumes ist ziemlich schlecht. Vor allem, weil bei der Herstellung über 48 kg CO2 entstehen. Hinzu kommen nochmal die Umweltwirkungen bei der Entsorgung. Es soll 17-20 Jahre dauern, bis der Plastikbaum die Ökobilanz eines Naturbaums erreicht. Aber das bekomme ich hin.

Unser Tipp

Wenn es unbedingt ein Naturbaum sein soll, dann kaufen Sie nach Möglichkeit einen regionalen Baum aus ökologischer Produktion mit kurzem Transportweg. Bio-Weihnachtsbäume enthalten weniger Giftstoffe (Spritz- und Düngemittel) als die konventionell produzierten und können außerdem problemlos nach Weihnachten verbrannt werden. Das ist besser als verrotten lassen, da hierbei das extrem klimaschädliche Methan entsteht. Beim Verbrennen setzt der Baum aber nur genau die Menge an Kohlenstoff frei, die er während der Wachstumsphase gebunden hat.

Wenn es unbedingt ein Naturbaum sein soll, dann kaufen Sie nach Möglichkeit einen regionalen Baum aus ökologischer Produktion mit kurzem Transportweg. Foto: Foto: Ursula Bauer

Wissenswertes zum Weihnachtsbaum

Der Ursprung

Immergrüne Pflanzen als Symbol für Lebenskraft aufzustellen war schon vor vielen Jahrhunderten und in zahlreichen Kulturen Brauch. Seit dem 15ten Jahrhundert gibt es Überlieferungen, wonach allmählich Tannenbäume zu Weihnachten Einzug in römische und französische Kirchen sowie Privathäuser hielten. Ab Mitte des 18ten Jahrhunderts waren geschmückte und beleuchtete Christbäume dann auch ein in Deutschland beliebter Brauch. Mit dem zunehmenden Aufbau von Nadelwäldern wurden die Weihnachtsbäume schließlich für jedermann erschwinglich.

Der beliebteste Christbaum …

… ist die aus dem Kaukasus stammende Nordmanntanne (Abies nordmanniana), die in der Regel pro Meter mindestens 20 Euro kostet. Wenn man ihn wachsen lässt, kann dieser immergrüne Nadelbaum mindestens 30 Meter hoch und bis zu 500 Jahre alt werden. Aber auch die Blaufichte (Picea pungens, Heimat Amerika), unsere heimische Fichte (Picea abies), die Edeltanne (Abies procera, Heimat USA) und die zitronig duftende Douglasie (Pseudotsuga menziesii, Heimat Nordamerika) sind in deutschen Wohnungen willkommen.

Über 2 m hohe Nordmanntannen in einem Baumarkt. Foto: © Ursula Bauer

Von wegen Tannenbaum

Eine echte heimische Weiß-Tanne (Abies alba) findet man nur noch selten in deutschen Weihnachtszimmern. Früher war diese „Königin unter den Nadelbäumen“, die bis zu 65 Meter hoch und über 500 Jahre alt werden kann, sehr häufig. Da sie aber sehr gerne vom Wild gefressen wird, empfindlich auf Klimaveränderungen reagiert und die Fichte ökonomisch interessanter ist, beträgt der Anteil der Weiß-Tanne in unseren Wäldern inzwischen nur noch ca. 10%.

Kennzeichen der Weiß-Tanne sind die beiden weißen sogenannten Wachsstreifen auf der Unterseite der Nadeln. Foto: © Ursula Bauer

Herkunft und Produktion

Unsere Lichterbäume werden zu 90% in Deutschland produziert, der Importanteil stammt zum Beispiel aus Dänemark, der Schweiz und Polen. Die meisten Weihnachtsbäume werden in separaten Kulturen extra angebaut und nach ca. 8-12 Jahren „geerntet“. In der Wachstumszeit werden, wie in jeder landwirtschaftlichen Kultur, Pflanzenschutzund Düngemittel ausgebracht, was die Natur innerhalb der Plantage belastet. Von einem ökologisch wertvollen Lebensraum kann hier auch nicht die Rede sein, weil es sich um Monokulturen handelt. Da mit Weihnachtsbäumen sehr viel Geld verdient werden kann, kommen auch immer mehr Landoder Forstwirte auf die Idee, zum Beispiel Wald in minderwertige Weihnachtsbaum-Plantagen mit nicht heimischen Nadelgehölzen umzuwandeln.

Alte Weihnachtsbäume sind nichts für Tiere

Kaum sind die Feiertage rum, schon werden die Weihnachtsbäume an die Straße gestellt. Warum nicht noch ein paar Zweige abschneiden und den Kaninchen geben? Schließlich sollen die ätherischen Öle und sekundären Pflanzenstoffe gut für Verdauung und Atemwege sein. Oder den ganzen Baum auf die Pferdekoppel legen? In vielen Streichelgehegen und im Zoo sieht man ja auch immer Weihnachtsbäume in den Gehegen.

Wir können nur dringend davon abraten, Tieren konventionelle Weihnachtsbäume als Futter oder Spielzeug zu geben. Die fast 30 Millionen zum Fest gefällten Fichten und Tannen stammen nämlich größtenteils aus Monokulturen, die intensiv gespritzt und gedüngt werden. In diesen Plantagen wird mit chemischen Substanzen wie Glyphosat das Unkraut zwischen den Reihen vernichtet sowie gegen Schädlinge und Pilzbefall vorgegangen. Zum Teil sollen die eingesetzten Mittel nicht einmal in der EU zugelassen sein.

Rückstände der Gifte sind auch nach dem Fällen in und an den Bäumen nachweisbar. In der Wohnung sollen die Gehölze für die danebensitzenden Menschen ungefährlich sein. Im unmittelbaren Kontakt oder durch Benagen oder Fressen können die Schadstoffe jedoch in den Tierkörper gelangen und der Gesundheit schaden.

Nur zertifizierte Bio-Weihnachtsbäume sind ohne Gifte aufgewachsen und können daher zum Beispiel für Esel und Ziegen verwendet werden.

Die Annahme, die Müllabfuhr würde die Bäume auf der Straße einsammeln und direkt in den Zoo liefern, ist übrigens falsch. Aufgrund der potenziellen Gefahr durch Wachsreste, Lametta oder sonstige Dekoteilchen nehmen Zoos in der Regel überhaupt keine Privatbäume an. Allerdings sind in einigen Einrichtungen die bei Händlern übrig gebliebenen Weihnachtsbäume gern gesehen und werden auch zum Beispiel an Elefanten verfüttert. Wir können nur hoffen, dass es sich dabei um ungespritzte Bio-Weihnachtsbäume handelt.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.