Haushunde | Ratgeber Tiermedizin

Rassehunde – ohne Gewähr: Ein Erfahrungsbericht

Ich habe eine gewisse Zeit überlegt, ob ich die traurige Geschichte meiner zwei Hundebuben wirklich aufschreiben und veröffentlichen soll. Aber ich bin es meinen geliebten Bärchen schuldig. Ich möchte erreichen, dass jeder nur etwas genauer hinschaut, wenn er sich für einen Rassehund entscheidet. Wir machen uns oft zu wenig Gedanken, was wirklich hinter der ganzen Zucht steckt.

Mein so lieber Bär hatte von Geburt an nicht den Hauch einer Chance, gesund alt zu werden. Foto: Roswitha Reiser

Hochglanzwerbung mit den besten Bewertungen der Abstammung und gewonnene Preise. Das macht Eindruck, auch bei mir! Natürlich ist nicht alles schlecht. Es gibt sicherlich auch viele Züchter, die nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten. Aber auch sie bekommen eben Vorgaben von Verbänden, nach denen sie sich zu richten haben. Es ist festgelegt wie der Hund einer Rasse auszusehen hat. Dabei spielt es dann auch keine Rolle, wenn es auf Kosten der Gesundheit der Tiere geht. Sicher, viele Besitzer haben großes Glück mit ihrem Hund, der gesund und glücklich alt werden darf. Aber es gibt auch ganz viele, die so einen Leidensweg erleben wie wir. Befasst man sich etwas tiefer mit dem Thema, merkt man schnell, dass es so nicht weitergehen kann.

Die Listen bereits kranker Hunderassen sind endlos lang, und am Ende geht es doch wieder ums Geld. Auch wenn die Züchter und Verbände dies vehement verneinen.

Mein Traum ging in Erfüllung. Ein Berner Sennenhund zog bei mir ein. Ich schwebte im siebten Himmel! Keinen Gedanken verschwendete ich daran, dass er nur sechs Jahre werden sollte. Denn immerhin habe ich ja alles richtig gemacht. Meinte ich jedenfalls. Habe einen Züchter gesucht, der im Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) wie in weiteren Verbänden ist, denn ich wollte ja einen gesunden, stabilen Hund, und das war mir die weite Fahrt, das lange Warten und jeden Euro wert. Als mein kleiner Liebling knapp ein Jahr war, fiel ich aus allen Wolken. Nach einer routinemäßigen Röntgenuntersuchung der Hüfte wurde die Diagnose gestellt: Hüftdysplasie (HD) auf beiden Seiten. Sehr betroffen teilte ich dem Züchter das Ergebnis mit. Er meinte lapidar, das hätte er in seiner Zucht noch nie gehabt. Da dachte ich noch, gut, es sollte nicht, aber kann wohl doch mal passieren! Ich informierte mich eingehend über HD und entschied mich dann für Goldimplantate und anschließende monatliche Besuche beim Tierheilpraktiker mit Akupunktur. Mit sechs Jahren bekam unser Berner dann akutes Nierenversagen (nicht untypisch für diese Rasse, wie ich mir später erklären ließ), von dem er sich nicht mehr erholte. Nach drei Wochen, davon zehn Tage Klinik, mussten wir den Kampf aufgeben und ihn gehen lassen. Für mich brach eine Welt zusammen!

Hüftdysplasie beim Hund

Die Hüftdysplasie oder Hüftgelenksdysplasie des Hundes (HD) ist eine Fehlentwicklung des Hüftgelenks. Betroffen sind sämtliche Hunderassen, wobei großwüchsige Rassen das Krankheitsbild besonders häufig ausbilden. Erstmals diagnostiziert wurde sie am Deutschen Schäferhund und wird daher fälschlicherweise hauptsächlich mit dieser Rasse in Verbindung gebracht, obwohl mittlerweile andere Rassen stärker betroffen sind. Die Häufigkeit des Vorkommens (Prävalenz) kann je nach Rasse bis über 50 Prozent betragen. Auch bei Hauskatzen kann die Hüftdysplasie auftreten, besonders unter Maine-Coon-Katzen.

Quelle: Wikipedia

Da ich wieder einen vierbeinigen Freund haben wollte, nahm ich Kontakt mit einer Berner-Sennen Züchterin auf. Als ich ihr die erlebte traurige Geschichte erzählte, meinte sie, das könne mir mit dieser Rasse leider wieder passieren. Sie seien sehr anfällig für sehr viele Krankheiten. So sehr ich diese Bärchen liebe, traute ich mich nicht mehr und entschied mich dagegen. Ich möchte ja mein zukünftiges Familienmitglied länger haben und entschied mich nach längerer Suche für einen Landseer. Die Beschreibung las sich fantastisch: langlebig, gesund, robust. Genau was ich wollte. Im Internet recherchierte ich noch nach weiteren Risiken. Nichts Negatives zu finden. Es schien einfach perfekt! Voller Freude machte ich mich nun auf die Suche, telefonierte mit einigen Züchtern und entschied mich dann für einen kleinen Rüden, den ich voller Glück nach ein paar Wochen endlich mit nach Hause nehmen konnte.

Wie genoss ich es, meinem kleinen Hundekind die Welt zu zeigen. Stolz besuchten wir die Hundeschule und waren voller Freude dabei.

Als Team waren wir mittlerweile unschlagbar. Ziemlich früh zeigte sich auch hier wieder, dass mit der Hüfte etwas nicht stimmte. Ich wollte es aber nicht wahrhaben und redete mir ein: Es ist bestimmt alles normal. Ich hatte trotz allem ein Unbehagen und ließ meinen Gefährten zu meiner Gewissheit röntgen. Der Tierarzt meinte zwar, das sei in dem Alter etwas übertrieben. Aber ich bestand darauf. Mein Verdacht bestätigte sich. Die Hüfte war nicht in Ordnung. Der damalige Tierarzt versuchte mich zu beruhigen. Bei so einem jungen Hund würde sich das alles verwachsen, und ich bräuchte mir keine Sorgen machen. Heute weiß ich, dass das absoluter Unsinn ist. Der etwas später aufgesuchte Spezialist stellte nach erneutem Röntgen die Diagnose: Hochgradige HD auf beiden Seiten mit Arthrose. Unser Hund war da gerade mal ein Jahr alt. Ich musste mich noch in der Praxis setzen, war so schockiert und dachte, „bitte nicht schon wieder“. Dass es gleich so schlimm sein wird, hatte ich nicht erwartet. Der Arzt erklärte mir, dass er einiges an Leid zu sehen bekommt und äußerte große Bedenken, wohin die heutige Hundezucht noch führen soll.

Dem Züchter wie dem Verband teilte ich alles mit und gab zu verstehen, dass ich mich über das Thema HD eingehend befasst habe. Zu gerne wird nämlich den Besitzern ein eigenes Verschulden eingeredet. Ich machte deutlich, dass ich meinen Kleinen mit größter Sorgfalt aufgezogen habe und ganz klar in der Linie der Großeltern HD (CHüfte) vorhanden ist, die weiter vererbt wird. Warum Hunde mit einer C-Hüfte zur Zucht zugelassen werden, ist eh ein Unding. Mit schönen Sätzen wurde versucht mir zu erklären, warum das so ist und dass es ihnen leid tut, dass mein Hund so schlimme HD hat.

Hüftdysplasie beim Hund
Röntgenaufnahme einer HD beim Hund. Der Femurkopf ist bereits subluxiert, das Acetabulum (Hüftgelenkspfanne) umgreift ihn nicht mehr (rote Pfeile). Die Femurköpfe zeigen Abweichungen von der Halbkugelform (gelbe Pfeile); rechts im Bild sind deutliche arthrotische Veränderungen des Femurkopfes erkennbar. Foto: Kalumet/CC-BY SA 3.0, Quelle: Wikipedia

Kurz nach der Diagnose wurde mein Bär mit gerade mal einem Jahr an beiden Hüften operiert (Nervenschnitt), um ihm die Schmerzen zu nehmen.

Es war furchtbar, meinen Hund nach der OP so leiden zu sehen. Ich war wütend auf alle. Nun gut, ich konzentrierte mich nun voll auf die Genesung meines Buben und machte alles, was mir von den Tierärzten empfohlen wurde. Mein Gedanke war: Das packen wir schon, und jetzt wird hoffentlich alles gut. Es war trügerisch. Ein paar Wochen später, er hatte sich gerade von der OP erholt, begann er immer wieder vorne rechts mit kurzem Aufjaulen zu humpeln. Wieder war Röntgen angesagt und die Entzündung, die man feststellte, wurde vorübergehend wieder mit Schmerzmitteln behandelt. Eine schwere, langwierige Ohrenentzündung plagte ihn zusätzlich, und das nun beginnende Fliegenschnappen machte mich völlig ratlos. Ein erneuter Tierarztbesuch stand an. Das pflanzliche Medikament, das man mir gab, soll gut bei einer bestimmten Form der Epilepsie helfen. Ich ahnte nicht, dass es noch schlimmer kommen sollte.

Mein armer Kerl begann mit der Kopfschiefhaltung, und ich dachte, oh, falsch gelegen und gab dem zu Anfang keine Bedeutung. Als dies erneut auftrat, war ein erneuter Tierarztbesuch angesagt. Der Tierarzt beruhigte mich jedoch: Es käme von der Hüfte, der ganze Körperbau sei nicht in Ordnung, wieder Schmerzmittel. Es klappte eine kurze Zeit ganz gut, und ich versuchte mit Homöopathie wie gute pflanzliche Ergänzungsmittel zusätzlich zu unterstützen. Die Schmerzanfälle kamen wieder und heftiger. Diesmal hieß es, er habe Bauchschmerzen. Schonkost wurde verordnet und wieder Tabletten. Ich muss dazu sagen, dass die Schmerzanfälle 2-4 Stunden dauerten und mein Hund in der Zeit weder sitzen noch liegen konnte und den Kopf nur noch hechelnd nach unten hielt.

Ich habe viele seiner Schmerzanfälle mit dem Handy gefilmt und jedem Tierarzt gezeigt!

Zwischenzeitlich habe ich in meiner Verzweiflung und Wut wieder den Verband wie den Züchter informiert. Passt natürlich nicht ins tolle Bild, von einem so kranken Hund zu hören. Auf Empfehlung ging ich nun in eine Tierklinik, in der unter Vollnarkose verschiedenste Röntgenaufnahmen gemacht wurden, wie auch CT und eine Gehirnwasseruntersuchung. Ein Spezialist rief mich am nächsten Tag an und teilte mir die Diagnose mit: Halswirbelsäule. Rassespezifische Verengung des Rückenmarks durch Engstellung der Wirbelbögen.

Meinem Hund ging es nach den vielen Untersuchungen so schlecht, dass ich mir zum ersten Mal geschworen habe, ich setze den armen Kerl nicht nochmal so einer Prozedur aus. Leider kamen die Schmerzanfälle nun so häufig, dass ich mich doch für die riskante OP entschied, so konnte es ja nicht weiter gehen. Die nächste Tierklinik, die mir für solche Erkrankungen empfohlen wurde, zerpflückte die Diagnose und Befunde der ersten Klinik. Obwohl ich auch diesem Tierarzt meine Videos gezeigt habe, war seine Diagnose: Die katastrophale Hüfte sei für die Schmerzanfälle verantwortlich, es bliebe trotz Risiko nur die künstliche Hüfte oder zur Linderung eben Schmerzmittel. Nachdem wir schon Unsummen an Geld ausgegeben hatten und eine Hüfte bei so großen schweren Hunden ein Risiko darstellt, muss man sich schon überlegen, ca. 11.000 Euro zu investieren. Ich wurde zudem das Gefühl nicht los, dass man mir nicht ungern eine Hüfte verkaufen wollte. Ratlos und nun komplett verunsichert fuhr ich wieder nach Hause. Ich fühlte so eine Hilflosigkeit und mich völlig im Stich gelassen. Die Anfälle häuften sich trotz der Schmerzmittel mit einer Dauer bis zu vier Stunden, und meine Verzweiflung war nun grenzenlos. Eine Tierärztin, die ich nun endlich gefunden habe, war total entsetzt und meinte, der arme Hund habe Nervenschmerzen und bei dieser Krankheit (nun doch Wobbler) helfen normale Schmerzmittel nur bedingt. Zugleich hatte ich noch Kontakt zu einem Chefarzt (mittlerweile dritte Klinik) aufgenommen, der sich uns von Herzen annahm. Endlich nach Monaten hatte ich das Gefühl: Wir werden aufgefangen, und es wird versucht meinem Bub zu helfen.

Wir einigten uns auf eine gut eingestellte Schmerztherapie, nachdem ich erfahren habe, wie groß die Risiken der komplizierten OP an der Wirbelsäule für meinen Landseer sind. Seine schwere HD macht es nicht einfacher. Dem zuständigen Verband schrieb ich erneut. Die Antwort war, es tue ihnen sehr leid, dass mein Hund so krank ist. Aber es sei eben auch eine Laune der Natur und könne passieren. Nein – so etwas darf nicht passieren! Zwei so heftige vererbbare Erkrankungen in einem Hund sind ein Albtraum für das Tier wie für den Besitzer.

Ich wünsche wirklich niemandem diese Odyssee. Die Tierärztin meinte sehr betroffen: „ein so toller junger Hund in einem unfassbar kaputten Körper“. Sie meinte noch, dass hoffentlich mit den Hunden dieser Züchterin, besonders aber mit den Geschwistern, nicht weiter gezüchtet wird. Es war nun ein ständiges auf und ab. Trotz der laufenden Erhöhung der Dosierung sprachen die Schmerzmittel nicht mehr an. Beim nächsten schweren Anfall traf ich die so schwere Entscheidung, meinen armen Engel, der schon so viel mitgemacht hat, endlich von seinem Leiden zu erlösen und ihm den Frieden zu geben, den er so verdient hat. Ich war unfassbar traurig, und alles erschien mir so unwirklich.

Manchmal wünschte ich, im Himmel gäbe es Besuchszeiten…

Und sei es auch nur für einen kurzen Moment! Dann könnte ich euch noch einmal in die Arme nehmen! Durch meine persönlichen schlimmen Erfahrungen werde ich mir nie mehr einen Hund vom Züchter holen, sondern nur noch vom Tierschutz! Dem Verband habe ich mitgeteilt, dass wir den Kampf verloren haben. Bis heute nichts gehört (vermutlich war ich zu unangenehm). Auch auf den versprochenen Anruf des Züchters warte ich heute noch. Ich wünschte, es würde sich in der Rassezucht bald etwas ändern. Die Hunde würden es danken! Aber ich fürchte, das Geschäft geht vor.