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Wie man sich auf Tierweiden richtig verhält

Auf einer Alm im österreichischen Tirol wurde 2014 eine Frau von einer Herde Mutterkühe totgetrampelt. Ausschlaggebend für die Attacke war allem Anschein nach der Hund der deutschen Urlauberin.

Dieser Wanderweg im Bregenzer Wald
Dieser Wanderweg im Bregenzer Wald führt durch eine Pferdeweide. Foto: Ursula Bauer

Wanderwege in den Bergen führen oft über Weideflächen mit Tieren, und das Durchqueren einer Alm mit Rindern, Pferden oder Schafen empfinden viele Menschen als interessantes Erlebnis. Allerdings sind wir Zäune gewohnt, die uns von den Weidetieren trennen und auch vor ihnen schützen. Völlig ohne Absperrung größeren, freilaufenden Nutztieren zu begegnen, kann daher auch beängstigend sein. Dass Wanderer von Rindern oder Pferden angegriffen werden, kommt immer mal wieder vor. Verletzungen oder gar Todesfälle sind jedoch die große Ausnahme. Man sollte davon ausgehen, dass Weidetiere grundsätzlich friedfertig und primär an den schmackhaften Bergkräutern interessiert sind. Kommt es zu einem Konflikt, sind in den allermeisten Fällen die Ausflügler diejenigen, die durch falsches Verhalten einen Unfall oder Angriff provoziert haben.

Hier einige Tipps für ein besseres Miteinander auf der Alm

Grundsätzliches

  • Bleiben Sie, wenn möglich, auf den markierten Wanderwegen.
  • Wenn Sie als Gruppe unterwegs sind, gehen Sie geschlossen über die Weide.
  • Verhalten Sie sich ruhig, und ermahnen Sie bitte auch Ihre Kinder, nicht zu schreien oder herumzutoben.
  • Durchqueren Sie die Alm langsam, jedoch ohne zu bummeln. Pause und Picknick machen Sie besser außerhalb der Umzäunung.
  • Bitte achten Sie immer auf Hinweistafeln an den Ein- und Ausgängen und halten Sie sich genau daran.

Umgang mit den Weidetieren

  • Das Vieh hat immer den Vortritt. Weichen Sie aus, wenn Ihnen Tiere auf dem Weg entgegen kommen oder sich darauf zum Ruhen abgelegt haben.
  • Gehen Sie an einer Herde vorbei, anstatt sie zu durchqueren, und vermeiden Sie, ein Tier vom Rest der Gruppe zu trennen.
  • Weidetiere niemals aufschrecken oder hinter ihnen herlaufen und auch nicht mit Stöcken herumwedeln. Eine in Panik geratene Rinderherde ist unberechenbar.
  • Wenn sich Tiere nähern, Ruhe bewahren. Ziehen Sie sich zügig, aber nicht hektisch zurück, und reden Sie leise vor sich hin – das beruhigt.
  • Tiere niemals schlagen oder stoßen.
  • Vieh möglichst „links liegen lassen“, nicht direkt ansehen, nicht ansprechen und vor allem – NICHT STREICHELN!
  • Fohlen und Kälbchen sind zwar süß, aber man sollte besser Abstand halten, da die erwachsenen Herdenmitglieder das natürliche Bedürfnis haben, diese zu beschützen. Auch Stiere nehmen ihren Job als „Oberhaupt der Familie“ oft sehr ernst.
  • Vor allem junge Tiere sind neugierig und übermütig. Man muss mit unkontrollierten Bewegungen rechnen. Zum Beispiel, dass sie unvermittelt springen, losrennen oder sich an Menschen herandrängen.
  • Füttern ist tabu! Bettelnde, futterneidische Rinder oder Pferde können sehr aufdringlich werden. Außerdem verzieht man so die Tiere. In der Hoffnung auf Leckerbissen können sich diese angewöhnen, anderen Wanderern regelrecht aufzulauern.

Ich habe Dich gewarnt

Achten Sie auf die Körpersprache. Angelegte Ohren, ein gesenkter Kopf oder nervöses Kopfschütteln, das Scharren mit den Füßen und Warnlaute sind eindeutige Zeichen, dass man nicht willkommen ist und besser nicht näher kommt. In diesem Fall sollte der rasche, aber ruhige Rückzug angetreten werden. Bitte nicht umdrehen und panisch davonrennen, sondern besser seitlich oder rückwärts das Weite suchen. Dreht man den Tieren den Rücken zu, kann das zur Verfolgung animieren.

Angelegte Ohren bei Eseln
Angelegte Ohren wie bei diesen Eseln bedeuten „Abstand halten!“. Foto: Ursula Bauer

Wanderer mit Hund(en)

Tatsächlich sind bei den meisten Mensch-Tier-Konflikten auf Almen Hunde beteiligt. Vor allem nicht angeleinte Vierbeiner scheinen zumindest Rinder und Pferde zu beunruhigen. Wenn die Almtiere glauben, sich verteidigen zu müssen, gehen sie schon mal zum Angriff über. Sie sind es gewohnt, während des sommerlichen Weidegangs in den Bergen auf sich allein gestellt zu sein und daher entsprechend wehrhaft. Experten sind der Meinung, dass Rinder und Pferde die Hunde im Grunde nur von ihrer Weide vertreiben wollen. Die Wanderer stehen dann häufig einfach „im Weg“ und bekommen die Attacke ungewollt ab.

Das Urteil

Der Fall der eingangs beschriebenen Urlauberin, die nach einer Kuhattacke starb, erregte nicht nur in Österreich die Gemüter. Die Frau hatte einen Hund dabei, der sofort die Aufmerksamkeit der Kühe auf sich zog. Als die Tiere angerannt kamen, konnte die Halterin die mit einem Karabiner an ihrer Hüfte befestigte Leine nicht schnell genug lösen. Ein tödlicher Fehler – denn die Tiere griffen nun das Mensch-Hund-Gespann an, stießen die Frau zu Boden und trampelten auf ihr herum. Sie starb noch vor Ort an den Folgen einer Herzbeutelquetschung. Der Hund konnte entkommen.

Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden zwar eingestellt, die Hinterbliebenen verklagten den Eigentümer der Mutterkuhherde jedoch auf Schadenersatz. Das Opfer hätte eigentlich wissen müssen, dass Kälber immer für eine größere Reizbarkeit in der Herde sorgen. Vor allem, wenn Hunde im Spiel sind. Der Bauer hatte daher extra entsprechende Warnschilder an der Alm aufgestellt. Trotz der vom Gericht festgestellten Mitschuld der 45-jährigen wurde der Landwirt im Februar 2019 zu einer Schadenersatz-Zahlung in Höhe von insgesamt 490.000 Euro verurteilt. Als Begründung hieß es, der Bauer hätte den Weg innerhalb der Weide separat einzäunen müssen, um Wanderer vor den Kühen zu schützen.

Der Landwirt hat Berufung eingelegt, und bisher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Unabhängig davon wurden mögliche Konsequenzen leidenschaftlich diskutiert. Werden in Zukunft immer die Bergbauern mit derart hohen Summen in Haftung genommen, ist jeder Tierangriff existenzbedrohend. Auch kann eine verpflichtende Einzäunung sämtlicher Almwege den Landwirten nicht zugemutet werden. Daher haben diese angedroht, ihre Wiesen entweder komplett zu sperren oder nur das Betreten mit Hunden zu untersagen. Beides würde Urlauber verprellen. Zahlreiche Landwirte haben auch damit gedroht, die Bewirtschaftung der Bergwiesen aufzugeben. Was negative Auswirkungen auf Vieh, Natur, Landschaft und Tourismus hätte, denn letzterer lebt von der Attraktivität der offenen, gepflegten Gebirgslandschaft.

Am Ende sprang das Land in die Bresche und wird, unabhängig von der zweitinstanzlichen Gerichtsentscheidung, ab April 2019 eine spezielle Versicherung für alle Tiroler Almbauern bezahlen. Außerdem sollen über Änderungen im Almschutzgesetz bestimmte Verhaltensregeln auf allen Almen in Österreich festgelegt werden.

Sind wirklich immer die anderen schuld?

Es ist schlimm, dass ein Mensch durch Weiderinder zu Tode gekommen ist. Das sehr harte Urteil in erster Instanz wirft aber auch die Frage auf, ob wir mehr und mehr verlernen, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Steuern wir auf US-amerikanische Verhältnisse zu, wo selbst die irrsinnigsten Schadenersatzklagen in Millionenhöhe gegen Unternehmen Aussicht auf Erfolg haben?

Herde mit Jungtieren
Sind Jungtiere in einer Herde, ist besondere Vorsicht geboten, da die Muttertiere in jedem Eindringling eine Gefahr für ihren Nachwuchs sehen können. Foto: Ursula Bauer

Im Grunde ist es genau das – wir müssen für unser Verhalten Verantwortung übernehmen. Denn auch die besten Tipps schützen am Ende nicht vor allen Eventualitäten. Tiere sind immer auch ein Stück weit unberechenbar. Daher sollte sich jeder Wanderer der potenziellen Gefahr bewusst sein, in die er sich begibt, wenn er eine Alm mit Tieren betritt. Entscheidet er sich, das Risiko einzugehen, muss er auch mit den Konsequenzen klarkommen.

Wir sind nur zu Gast auf der Alm und sollten uns immer entsprechend verhalten.

Auf den Bergweiden treffen wir in Urlaubslaune und romantischer Umgebung auf schellentragende, freilaufende Tiere und denken fast automatisch, dass hier die Welt noch in Ordnung ist. Tier, Natur und Mensch bilden anscheinend eine friedliche Einheit. Dabei vergessen wir gerne, dass die meisten von uns mit Kühen, Pferden oder Ziegen nicht vertraut sind und sie daher auch „nicht lesen“ können. So haben zum Beispiel Rinder durch die modernen Haltungsformen häufig wenig Kontakt zu Menschen. Sie stehen von Oktober bis Mai im vollautomatisierten Stall. Die individuelle Betreuung durch eine Bezugsperson gehört schon längst der Vergangenheit an. Entsprechend können Wanderer nicht erwarten, dass diese Tiere dann während des sommerlichen Weidegangs auf der Alm plötzlich zum Schmusetier mutieren. Da ist viel Unsicherheit und Angst – auf beiden Seiten!

Außerdem sollten wir uns daran erinnern, dass die ersten Wanderer Viehtriebwege benutzt haben. Die Almtiere waren also zuerst da, und die Nutzung der Bergwiesen als Weide hat die Voraussetzung geschafft, dass Wanderer überhaupt in diese zauberhafte Welt vordringen können.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.