Gemäß dem alten Volksglauben soll eine Glocke den Bereich beschützen, den sie mit ihrem Klang erfüllt. Auch heute noch orientieren sich die Landwirte bei ihren Kontrollgängen auf den Bergweiden am Gebimmel. Vor allem, wenn es dunkel oder neblig ist. Nur so können zum Beispiel verunfallte Tiere gerettet oder Ausreißer wieder eingefangen werden. Während die Glocken und Schellen in den Bergen lebenswichtig sind, haben sie in den Tallagen auf eingezäunten Weiden eher etwas mit Brauchtumspflege und Lokalkolorit zu tun. Für viele ist ein zünftiges Bergdorf ohne den Klang von Kuhglocken und Kirchengeläut schlichtweg undenkbar.
Kuhglocken – Lebensretter oder Tierquälerei?
Vor allem in bergigen Regionen sieht man sehr häufig Rinder, aber auch Pferde, Esel, Schafe und Ziegen, die Schellen oder Glocken an Bändern um den Hals tragen. Die Tradition, Weidetieren Bimmeln umzubinden, stammt noch aus der Zeit, als es keine Zäune gab. Das Geläut führte nicht nur die Hirten zu ihren Tieren, sondern bot auch den Herdenmitgliedern die Möglichkeit, einander wieder zu finden. Außerdem wurden Bären und Wölfe durch den „Lärm“ vertrieben.
Glocke oder Schelle?
Normalerweise bezeichnen wir alles als „Glocke“, was am Hals eines Tieres baumelt. Dabei handelt es sich meistens um Schellen. Diese werden aus Eisen-, Messing-, oder Kupferblech geschnitten und an den Seiten verschweißt oder vernietet. Im Gegensatz dazu wird eine Glocke immer in Form gegossen. Zum Gießen wird heißes, flüssiges Metall (v.a. Kupferlegierungen wie Messing und Bronze) verwendet. Glocken sind ziemlich empfindlich. Bereits ein kleiner Riss oder Sprung führt dazu, dass sie keinen Ton mehr erzeugt. Schellen halten dagegen wesentlich mehr aus. Selbst wenn sie sich verformt haben, weil sie zum Beispiel gegen einen Stein geschlagen sind, klingen sie immer noch. Daher wird das Almvieh in der Regel mit Schellen ausgestattet
Glocken und Schellen für Nutztiere gibt es in unglaublich vielen Variationen. Zum Beispiel sogenannte Flachschellen, wohlgeformte Froschmaulschellen, spezielle Pferdeglocken in „Pariser Form“ oder die schön verzierten, kreisrunden „Schweizer Glocken“.
Meistens werden innerhalb einer Herde unterschiedliche Geläute vergeben. Bei Kühen erhält in der Regel das Leittier eine größere und entsprechend lautere Schelle, während rangniedrigeren Herdenmitgliedern und Kälbern kleinere Modelle umgebunden werden.
Zu laut und zu schwer?
Die Frage, ob die klingenden Anhänger den Tieren schaden, wird heftig diskutiert. Über die Abschaffung von Kuhglocken entbrannte zuerst in der Schweiz eine heftige Debatte, die inzwischen auch in Österreich und in Bayern angekommen ist. Im Moment scheint man sich noch uneins darüber zu sein, ob das Anhängen von Glocken oder Schellen Tierquälerei ist. Eine erste, an drei Tagen und mit 19 Kühen durchgeführte Untersuchung in der Schweiz hatte ergeben, dass die Glocken unter anderem die Wiederkauzeit und die Fressdauer der Kühe verkürzen. Bei dem kleinen Zeitraum und der geringen Probandenzahl ist diese Studie allerdings wenig repräsentativ. Außerdem wurden den Kühen Glocken mit einem Gewicht von 5,5 kg umgehängt. Dass solche großen und schweren Geläute die Tiere beeinträchtigen, ist nicht weiter verwunderlich. Ihre Lautstärke im Dauergebrauch liegt zwischen 90 und 110 Dezibel, was etwa dem Krach entspricht, den Martinshörner oder Motorsägen verursachen. Derartige Wuchtglocken sind jedoch nicht im täglichen Gebrauch, sondern werden meistens nur den Leitkühen für etwa einen halben Tag im Rahmen des Almabtriebs zugemutet. Das Gewicht der Schellen und Glocken für den RinderAlltag liegt zwischen 800 g und maximal 2 kg.
Bei der Beurteilung der Schädlichkeit spielen Gewicht und Lautstärke der Geläute eine wesentliche Rolle. Es gilt: Je größer, desto lauter, aber nicht unbedingt schwerer. Denn das Gewicht hängt von Material und Machart ab. So ist eine Glocke aus massivem Metall schwerer als eine Schelle aus Stahlblech in der gleichen Größe.
Eines ist grundsätzlich klar: Sollte das Tragen der Glocken oder Schellen den Rindern tatsächlich Schmerzen und Leiden verursachen, wäre ein Verbot auf jeden Fall angebracht. Um das herauszufinden, braucht es weitere Analysen. Die Erstellerin der Studie, die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, hat selbst schon darauf hingewiesen, dass umfangreichere Untersuchungen erforderlich sind, um verlässliche, wissenschaftlich exakte Aussagen über die Beeinträchtigung durch Geläute treffen zu können.
Almabtrieb
Wenn Weidetiere im Sommer auf der Bergweide umgekommen sind oder eine Kuh eine Totgeburt erlitten hat, geht der Almabtrieb im September still und ohne großes Aufheben von Statten. Ist dagegen alles gut gegangen, wird die Rückkehr ins Tal laut und bunt gefeiert und die Rinder zu diesem Anlass mit außergewöhnlich großen Geläuten an reich verzierten Ledergurten geschmückt. Der weithin hörbare Klang der voluminösen Schellen und Glocken soll Dämonen vertreiben. Oft besteht die Herde auf einer Almweide aus Tieren von unterschiedlichen Höfen. Im Dorf angekommen, treibt man das Vieh daher auf den sogenannten Scheidplatz, wo sich die Bauern dann ihren Besitz abholen können. Die Tier-Gemeinschaft auf Zeit muss sich wieder trennen und auseinandergehen. Daher heißt der Almabtrieb auch „Viehscheid“.