Nachhaltig leben und einkaufen

Gift im Hühnerstall – Fipronil

Zuverlässig sorgt die Lebensmittelindustrie seit Jahren für einen Skandal nach dem anderen: BSE, Gammelfleisch, Pferdefleisch in der Lasagne, Medikamente im Hühnerfleisch – fast immer sind tierische Lebensmittel betroffen. Nun hat es wieder einmal die Eierindustrie getroffen, das Insektizid Fipronil hat dem Skandal einen Namen gegeben.

Legehennen in Freilandhaltung
Kaum ein Verbraucher würde denken, dass dieses Foto in einem Betrieb mit Freilandhaltung entstanden ist. Foto: Jan Peifer

Mehrere Millionen verunreinigte Eier waren in den Handel gekommen. Betroffen waren insgesamt mehr als 20 EU-Staaten sowie mindestens 16 weitere Länder, teils auch auf anderen Kontinenten, darunter die USA, Russland und Südafrika.

In den Niederlanden und Belgien mussten knapp 300 Betriebe gesperrt werden, die die Chemikalie zur Stalldesinfektion eingesetzt hatten, obwohl diese für den Einsatz in der Nutztierzucht und -haltung nicht zugelassen ist. Außerdem wurden mehrere Betriebe in Niedersachsen gesperrt, auch sie hatten das Reinigungsmittel verwendet. Schätzungen gehen davon aus, dass aus den betroffenen deutschen Betrieben mehr als 15 Millionen Eier verkauft wurden, weitere 10 Millionen aus den Niederlanden. Der Großteil der Eier dürfte verzehrt worden sein. Zwar sei, so gab das Bundesamt für Risikobewertung an, eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen sehr unwahrscheinlich. Doch hatte die EU-Kommission noch im September eine Krisensitzung einberufen, an der Behördenvertreter aller betroffenen Länder teilnahmen. Vertreter von Parteien und Verbänden sowie Tier- und Verbraucherschützer kritisieren vor allem die nur schleppende und unzureichende Informationsweitergabe unter den Behörden sowie Transparenz für die Verbraucher.

Was ist Fipronil?

Fipronil ist ein in vielen Ländern als Biozid und „systemisches Pflanzenschutzmittel“ („Insektizid“) verwendeter Wirkstoff aus der Gruppe der Phenylpyrazole. Es wirkt als Kontaktgift schnell und lang anhaltend gegen Ackerschädlinge sowie Ektoparasiten wie Flöhe, Haarlinge, Tierläuse, Zecken, Raubmilben, Herbstgrasmilben und Räudemilben.

Medienberichten zufolge war das kontaminierte Reinigungsmittel schon im Juni 2016 in Holland angewendet worden. Erstmals gemeldet wurde der Einsatz von Fipronil im Juni 2017. Es besteht damit die Möglichkeit, dass zum Zeitpunkt der Meldung verunreinigte Eier schon seit über einem Jahr im Umlauf waren, ein Nachweis allerdings war nicht mehr möglich. Für größeres Aufsehen unter den Verbrauchern sorgte derweil die deutliche Reaktion der Discounter-Riesen Aldi Nord und Aldi Süd. Nachdem Fipronil-Eier auch bei Aldi gefunden worden waren, hatten die Discounter vorübergehend sämtliche Eier aus dem Sortiment genommen. Mit erheblichen finanziellen Einbußen aufgrund des aktuellen Eierskandals müssen Landwirte – auch aufgrund der Verkaufsstopps – in Niedersachsen, vor allem aber in den Niederlanden rechnen.

So forderte der Deutsche Bauernverband auch umgehend Schadenersatz von den Verursachern, da ein gesperrter Betrieb mit einem täglichen Umsatzverlust in vierstelliger Höhe rechnen müsse. Auf noch weitaus höhere Verluste in Millionenhöhe müssen sich wohl niederländische Geflügelhalter vorbereiten – etwa zwei Drittel der pro Jahr ca. 10 Milliarden produzierten Eier werden nach Deutschland exportiert. Mittlerweile wurden in mehreren Razzien in den Niederlanden und Belgien Geschäfts- und Privaträume durchsucht und mindestens zwei Geschäftsführer beteiligter Firmen festgenommen. Wie weit sich der Fipronil-Skandal noch ausweiten wird, ist jedoch völlig unklar.

Im Juni, Juli und August 2017 wurde in Hühnereiern, Hühnerfleisch und Hühnerkot aus den Niederlanden, Belgien, Deutschland und Österreich Fipronil nachgewiesen, obwohl die Verwendung des Insektizids bei Tieren, die der Lebensmittelerzeugung dienen, verboten ist.

Das Image von Eiern aus den Niederlanden leidet zeitgleich noch aus einem anderen Grund. Weil deutsche Erzeuger die große Nachfrage nach Bio-Eiern schon aus Platzgründen längst nicht mehr alleine stillen können, stammt ein Großteil der in deutschen Discountern verkauften Eier mit dem Biosiegel aus dem Nachbarland, deutlich zu erkennen am Eierstempel, der in diesem Fall mit „0-NL“ beginnt. Vielen Verbrauchern ist dabei nicht bewusst, dass auch die hierfür benötigten Legehennen zu zehntausenden in der Massentierhaltung leben müssen. Als im Sommer von Tierschützern erstelltes Bild- und Videomaterial an die Öffentlichkeit kam, das die Zustände in niederländischen Bio-Betrieben zeigte, zog auch dies einen Verkaufsstopp deutscher Discounter nach sich.

Doch obwohl die letzten Enthüllungen und der aktuelle Eierskandal bei weitem nicht das erste Mal für Aufsehen sorgen, lassen sich die Konsumenten die Lust auf Eier nicht nehmen: Etwas mehr als 14 Kilogramm Eier (verarbeitete und unverarbeitete) verbraucht jeder Deutsche pro Kopf und Jahr im Durchschnitt. Das entspricht etwa vier Eiern pro Woche; nur knapp liegt Deutschland im europäischen Vergleich hinter Spanien, Tschechien und Frankreich. Dabei ist der Verzicht auf Eier gar nicht schwer – nahezu jedes Gericht lässt sich auch ohne Eier oder mit pflanzlichen Alternativen zubereiten. Eine reichhaltige Auswahl finden Sie in jedem Biomarkt, eine Auswahl eifreier Rezepte für jeden Anlass finden Sie auch in dieser Ausgabe.

Jan Peifer