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Animal Hoarding -
Wenn ausufernde Tierhaltungen zur Tierquälerei werden

Manche Menschen sammeln Gegenstände wie Zeitungen, Nahrungsmittel, Verpackungen und Kleidung, mit denen sie ihre Wohnung vollstopfen, bis diese verwahrlost und zugemüllt ist. Umgangssprachlich werden diese Menschen als „Messies“ bezeichnet.

15. Mai 2015
Ein Beitrag von Ursula Bauer

Ein ganz ähnliches Phänomen, bei dem anstelle toter Gegenstände Tiere in großer Zahl angehäuft werden, nennt man Animal Hoarding (übersetzt „Tiere sammeln“, „Tiere horten“). Tiermessies sammeln und horten vorrangig Hunde, Katzen, Kleintiere und Exoten wie etwa Schlangen.

Geschichte

Im Jahr 1981 beschrieben erstmals amerikanische Ärzte 31 Fälle von ausufernden Tierhaltungen in New York. 1999 hat ein amerikanischer Tierarzt dann in einer Studie den Begriff `Animal Hoarding´ geprägt und die Vermutung geäußert, dass es sich um eine psychische Erkrankung handelt. 2000 verfasste schließlich ein amerikanischer Psychologe erstmalig einen Artikel über Animal Hoarding in einer Fachzeitschrift. Darin kommt er zu dem Schluss, dass diesem Phänomen meistens eine besessen/zwanghafte Persönlichkeitsstörung zu Grunde liegt. Charakteristisch für Tiersammler sei unter anderem der feste Glaube, den Tieren ginge es gut. Daneben beschreibt der Artikel Fälle, in denen Animal Hoarder unterschiedliche Formen von Suchtverhalten oder Bindungsstörungen zeigten. Bis heute sind weitere Studien zum Thema fast ausschließlich in den USA erschienen.

Fälle von Tier-Sammelsucht gibt es aber auch seit Langem in Deutschland und inzwischen wird das Ausmaß sowie die mit dem Tiersammeln verbundene Problematik auch hierzulande wahrgenommen, was vorrangig auf die Verbreitung durch die Medien zurückzuführen ist. Mit Sorgen beobachten wir, dass die Fälle von Animal Hoarding von Jahr zu Jahr zunehmen und dabei auch erschreckend hohe Tierzahlen wie beispielsweise 270 Hunde oder sogar über 1.700 Wellensittiche vorkommen.

Kennzeichen des Animal Hoarding

Eine umfangreiche Tierhaltung allein macht also noch keinen Animal Hoarding- Fall aus. Werden die Tiere gut untergebracht, versorgt und liebevoll betreut, ist im Grunde alles in Ordnung. Wobei eine hohe Bestandszahl grundsätzlich immer misstrauisch macht, denn auch die aktuell beste Tierhaltung kann im Chaos enden, wenn der Besitzer beispielsweise krank wird oder in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Dann kann schnell der 2te Faktor zur Realität werden: Die Tierhaltung ist nicht mehr ordnungsgemäß und mit geltenden Tierschutzvorschriften vereinbar. So sind die vielen Tiere bei einem typischen Animal Hoarding- Fall allgemein verwahrlost, unter- oder fehlernährt und verhaltensgestört. In der Regel sind die Tierhaltebereiche ungeeignet (Wohnungen, Bauwagen, provisorische Verschläge), und mit Müll, Kot und Urin verdreckt. Kranke, verletzte und tote Tiere inmitten des ganzen Chaos sind keine Seltenheit.

Unter den Animal Hoardern gibt es Menschen, die aktiv Tiere sammeln. Sie werden von der Überzeugung getrieben, Tiere „retten“ zu müssen, da es diese grundsätzlich nur bei ihnen gut haben. Andere nehmen einfach unreflektiert jedes Tier auf, das ihnen gebracht wird. Aus Mitleid und weil sie einfach nicht „nein“ sagen können. Bei manchen Menschen beginnt es ganz harmlos mit einigen unkastrierten Katzen, Hunden oder Meerschweinchen, die sich unkontrolliert vermehren. Die Unfähigkeit der Halter, einzugreifen oder rechtzeitig um Hilfe zu bitten, führt schließlich zu einer unüberschaubaren Zahl an verwahrlosten und kranken Tieren. Aber auch Züchter, die aus kommerziellen Gründen vermehren, können zu Animal Hoardern werden. Kommt es beispielsweise zu länger andauernden Absatzschwierigkeiten der „Ware Tier“, kann auch hier die Haltung schnell tierschutzwidrige Ausmaße annehmen.

Mit der stetig wachsenden Tierzahl verschlechtern sich auch die Haltungsbedingungen. Hinzu kommen unweigerlich auch finanzielle Schwierigkeiten. Tierarzt, Futter, Miete, Strom und Wasser können schließlich nicht mehr bezahlt werden, was wieder zu Lasten der Tiere geht. Typischen Tiermessies fehlt nicht nur die Fähigkeit, rechtzeitig die Bremse zu ziehen, sondern auch jegliche Einsicht in die negativen Folgen ihres Tuns. Sie merken nicht, dass sich ihre vermeintliche Tierliebe in Tierquälerei verwandelt hat. Paradoxerweise verstehen sie sich selbst meistens als Tierschützer und bezeichnen ihre chaotischen Sammelstationen als „Gnadenhöfe“.

Allen Animal Hoardern gemein ist eine grundsätzliche Zuneigung zu Tieren. Wer keine Tiere mag, wird auch nie zum Tiersammler. Vor allem bestimmte Ereignisse in der Biografie wie beispielsweise einschneidende Schicksalsschläge, Enttäuschungen oder der Verlust der Arbeit können jedoch dazu führen, dass sich Menschen mit entsprechender Veranlagung von der Gesellschaft zurückziehen, sich ganz ihren Tieren zuwenden und hierbei jegliches Maß verlieren. Nach unseren Erfahrungen bilden die Mehrheit der Animal Hoarder alleinstehende, sozial isolierte Menschen ab 50 Jahre.

Animal Hoarding entsteht nicht über Nacht

Die langsame Eskalation vollzieht sich teilweise sogar unter den Augen von Behörden und anderen involvierten Personenkreisen wie beispielsweise Gesundheitsämter, Pflegedienste, Tierärzte, Tierschutz, Polizei und Veterinärämter, die einfach jahrelang wegsehen. Leider wird auch die unreflektierte Sammelleidenschaft von Tiermessies oft ausgenutzt. Da sie in der Regel nie „nein“ sagen und immer bereit sind, Tiere aufzunehmen, werden sie häufig von privaten Tierhaltern oder sogar Tierschutzorganisationen als „Abladeplatz“ missbraucht. Manchmal werden sogar Fundtiere durch die Behörden bei Tiersammlern abgegeben, wenn beispielsweise keine offiziellen Tiersammelstellen vorhanden sind.

Behörden einschalten und Anzeige erstatten

Häufig übernehmen Tierschutzvereine Tiere aus Animal Hoarding- Haltungen, die von den Tiermessies freiwillig abgegeben werden, ohne die Behörden zu verständigen. Teilweise Jahr für Jahr von den gleichen Tiersammlern. Das ist der falsche Weg! Es kann nicht sein, dass letztendlich in 90% der Fälle der privat oder innerhalb eines Vereins organisierte Tierschutz die „Drecksarbeit“ macht, kostenlos hunderte von kranken Tieren aufnimmt und die Animal Hoarder munter weiter sammeln. Nur wenn konsequent die Behörden eingeschaltet und Anzeigen verfasst werden, besteht die Chance, dem Treiben von Tiermessies auf Dauer Einhalt zu gebieten!

Schon beim geringsten Anzeichen einer ausufernden Tierhaltung sollte daher sofort das zuständige Veterinäramt benachrichtigt werden. Es müssen nicht immer hunderte von Tieren sein. Auch 10 in einer kleinen Wohnung zusammengepferchte Katzen oder fünf Hunde auf engstem Raum gehalten sind alarmierend und sollten gemeldet werden. Veterinär-, Ordnungs- und Gesundheitsämter sind gefordert, beherzt und vor allem rechtzeitig einzugreifen. Das Tierschutzgesetz liefert genug Möglichkeiten, Tiersammlern das Handwerk zu legen.

Nur die konsequente Wegnahme aller Tiere wirkt

Die häufig von Veterinärämtern verordnete Bestandsreduzierung hat in der Regel nur einen vorrübergehenden Effekt. Die Hoarder verstecken häufig Tiere vor einer behördlichen Kontrolle anstatt diese endgültig abzugeben und nehmen trotz vorgegebener Bestandsobergrenze weiter unkontrolliert Tiere auf, so dass die alten Zustände im Verborgenen oft bestehen bleiben oder sich sogar noch verschlimmern.

Die Rückfallquote vor allem bei langjährigen Tiersammlern mit großen Tierbeständen liegt gemäß unseren Erfahrungen bei fast 100%! Wird ihnen auch nur eine geringe Anzahl an Tieren zugestanden, ist dies meist nur die Keimzelle für eine neue „Sammlung“. Daher halten wir die konsequente behördliche Beschlagnahmung aller Tiere für die einzig erfolgversprechende Maßnahme. In Verbindung mit einem unbegrenzten Tierhalteund Tierbetreuungsverbot kann so einer Wiederholungstat am effektivsten entgegen gewirkt werden.

Ein bundesweites Animal Hoarder - Register würde helfen

Darauf bedacht, den schrecklichen Status quo aufrecht zu erhalten, versuchen die meisten Tiermessies, sich den Kontrollen von Behörden oder Tierschutzvereinen zu entziehen. Sie verstecken Tiere und verschwinden teilweise über Nacht, wenn Ärger droht. Oft werden dabei Tiere einfach zurückgelassen. Nach dem Umzug in eine andere Gemeinde oder in ein anderes Bundesland wird dann wieder von vorne begonnen – als unbeschriebenes Blatt. Nicht selten haben wir bei unseren Animal Hoarding- Fällen mehrere Standorte in Deutschland nachweisen können, an denen die Betroffenen ihr Unwesen getrieben haben. Bedauerlicherweise sind die deutschen Veterinärämter jedoch nicht miteinander vernetzt.

aktion tier hat schon seit Langem auf die Notwendigkeit eines bundesweiten, behördeninternen Registers hingewiesen, in dem Animal Hoarder und andere Tierquäler verzeichnet sind! Dass so etwas möglich ist, zeigt das im März 2008 in Kraft getretene Zirkus-Zentralregister. Hierbei handelt es sich um eine zentrale Datenbank, auf welche die Veterinärbehörden der Bundesländer zugreifen können. In dieser Datenbank sind Zirkusbetriebe und mobile Tierschauen mit entsprechenden Vermerken zu behördlichen Beanstandungen und Auflagen gespeichert, so dass sich jede Veterinärbehörde vor einer neuerlichen Kontrolle ein Bild von dem zu begutachtenden Zirkus machen kann.

Ein Animal Hoarder- oder Tierquäler-Zentralregister hätte den Vorteil, dass sich Veterinärämter darüber informieren könnten, ob neu in ihrem Zuständigkeitsbereich auftretende Tierhalter in der Vergangenheit auffällig geworden und eventuell sogar mit einem Tierhalteverbot belegt sind. Solange es keinen derartigen Informationsaustausch gibt, können Tierquäler und Tiermessies sogar trotz Tierhalteverbot teilweise völlig unbehelligt an einem neuen Wohnort weitermachen.

Um unser Forderung nach einem Animal Hoarder/Tierquäler-Zentralregister Nachdruck zu verleihen, haben wir eine kampagnenbegleitende Unterschriftenaktion ins Leben gerufen. Die Unterschriftenliste kann einfach heruntergeladen werden.

Das Video zur Kampagne

Kampagnenflyer

Flyer "Animal Hoarding"

Den Informationsflyer zur Kampagne "Animal Hoarding - Wenn ausufernde Tierhaltungen zur Tierquälerei werden" stellen wir Ihnen hier kostenlos als Download zur Verfügung.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.

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