aktion tier Kampagne

Animal Hoarding -
Wenn ausufernde Tierhaltungen zur Tierquälerei werden

Das Phänomen Animal Hoarding (übersetzt „Tiere horten“, „Tiere sammeln“) wurde 1981 erstmals von amerikanischen Ärzten beschrieben. Es wird heute weltweit als psychische Erkrankung betrachtet, die auf zwanghafte Persönlichkeitsstörungen und Suchtverhalten zurückzuführen ist.

15. Mai 2015
Aktualisiert am: 25. September 2024
Ein Beitrag von Ursula Bauer
Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Bei einem Animal Hoarding-Fall treffen zwei Faktoren zusammen:

  • Es wird eine übermäßig hohe Anzahl an Tieren, meist von Privatpersonen, gehalten.
  • Die gesetzlichen Mindeststandards in der Tierhaltung werden nicht erfüllt.

Neue Website zum Thema Animal Hoarding

Auf der neuen Website www.animal-hoarding.de bündelt aktion tier umfassende Informationen zum Thema Animal Hoarding. Dort werden vergangene und aktuelle Fälle vorgestellt sowie Tipps gegeben, wie man verdächtige Tierhaltungen melden kann.

Tierschutzvorschriften

Tierhaltung ist keine Privatsache, sie muss gesetzliche Anforderungen erfüllen, wie sie unter anderem im Tierschutzgesetz (§1 und §2) sowie in Gutachten und Verordnungen festgelegt sind. Tieren dürfen ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen oder Schäden zugefügt werden, sie sind artgerecht zu versorgen und unterzubringen. Animal Hoarder erfüllen diese Vorgaben nicht und sind deshalb Tierquäler.

Animal Hoarding in Deutschland

Hierzulande gibt es seit Langem Fälle von exzessiver Tierhaltung. aktion tier hat ab 2006 maßgeblich dazu beigetragen, dass das Phänomen in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Allerdings gibt es trotz umfangreicher Aufklärung immer noch Schwierigkeiten bei der Prävention und dem behördlichen Umgang mit den Fällen.

Welche Tiere werden gehortet?

Gemäß unseren Erfahrungen werden vorrangig Hunde und Katzen angesammelt, gefolgt von Kleintieren wie Kaninchen oder Meerschweinchen. Gelegentlich haben wir es auch mit Pferde-, Reptilien- und Vogelmessies zu tun. Es gibt jedoch auch Mischhaltungen mit Haus- und Nutztieren.

Diese Meerschweinchen hatten sich unkontrolliert vermehrt.
Diese Meerschweinchen hatten sich unkontrolliert vermehrt. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Tiermessies sind unterschiedlich

Unter den Animal Hoardern gibt es verschiedene Typen: Einige sammeln aktiv Tiere, um sie zu "retten", weil sie glauben, dass diese nur bei ihnen gut aufgehoben sind. Andere nehmen aus Mitleid oder aus Unfähigkeit, "nein" zu sagen, jedes Lebewesen auf, das ihnen gebracht wird. Es beginnt fast immer harmlos mit wenigen Tieren, kann jedoch bei unkontrollierter Vermehrung schnell ins Chaos führen. Auch kommerzielle Züchter können Animal Hoarder werden, zum Beispiel, wenn Absatzprobleme auftreten und die Zahl der Tiere wächst. Ebenso können sich Liebhaber bestimmter Arten oder Rassen zu obsessiven Sammlern entwickeln, die unbedingt jede Farbvariante oder Unterart besitzen müssen.

Die Abwärtsspirale

Mit zunehmender Tierzahl verschlechtern sich in der Regel die Haltungsbedingungen und die Kosten für Tierarzt, Futter, Miete und Energie können schließlich nicht mehr gedeckt werden. Typische Animal Hoarder erkennen aufgrund ihrer psychischen Probleme meist nicht, dass ihre vermeintliche Tierliebe zur Tierquälerei wird. Sie sehen ihre chaotischen Sammelstationen oft als „Gnadenhöfe“.

So geht es bei Tiermessies zu

wohnen, erkennt man häufg schon von außen an der Unordnung, dem Müll und Gestank. Auf Sauberkeit wird selten geachtet, Tierunterkünfte und Gehege sind improvisiert, alles ist lieblos zusammengeschustert, vieles kaputt. Entsprechend ungepfegt sind auch die gehaltenen Tiere, die oft in ihren eigenen Exkrementen leben müssen. Eine tierärztliche Versorgung fndet meistens nicht statt, daher sind unbehandelte Verletzungen und Krankheiten die Regel. Oft wird unzureichend gefüttert, so dass Tiere stark abmagern und im schlimmsten Fall verhungern. Üblich ist außerdem die Fütterung mit ungeeigneten oder schädlichen Dingen, was zu mangelernährten, teilweise fetten Tieren führt, die nur auf den ersten Blick gesund erscheinen. Reptilien werden häufg in kleinen Stapelboxen gehalten, Kleintiere wie Kaninchen und Meerschweinchen müssen in engen Käfgen ohne Einstreu und Ausstattung leben. Die Hufpfege bei Pferden und Ponys wird vernachlässigt, Schafe werden nicht vorschriftsmäßig geschoren. Hunde kennen kein Gassigehen, es gibt weder Leinen noch Halsbänder. Katzen haben zu wenig oder gar keine Katzenklos und Kratzbäume. Es fehlt an Beschäftigungsmöglichkeiten, Spielzeug und allem, was ein Tierleben angenehm macht.

Körperliche Schäden

Die langfristige, nicht artgerechte Haltung ohne tierärztliche Betreuung führt zu vielfältigen, zum Teil unheilbaren Gesundheitsproblemen wie Parasitenbefall, Augenkrankheiten, chronische Ohrenentzündungen, Hautekzeme und Katzenschnupfen. Infolge von Fehlernährung kann es zu deformierten Beinen, Stoffwechsel- und Zahnproblemen kommen.

Seelische Schäden

Vor allem Säugetiere aus Animal Hoarding-Fällen sind teilweise stark traumatisiert. Das enge Zusammenleben mit vielen Artgenossen, teils in dunklen Räumen, kann zu Ängstlichkeit und Aggression führen. Nach der Rettung sind die Tiere oft misstrauisch und schreckhaft, was die Vermittlung erschwert.

Wer ist zuständig?

Zuständig ist das Veterinäramt des Animal Hoarding Ortes, und laut Tierschutzgesetz muss die Behörde handeln. Versäumt es ein Amtstierarzt, Maßnahmen zum Schutz der Tiere zu ergreifen, kann er sich selbst strafbar machen.

Bei der Bekämpfung von Animal Hoarding ist die rechtzeitige und konsequente Beschlagnahmung aller Tiere das Wichtigste. Man muss nicht warten, bis sich 120 Hunde in einer Kaserne oder 110 Katzen auf einem ehemaligen Bauernhof angesammelt haben. Leider erteilen viele Amtstierärzte lieber langwierige Aufagen, die oft nicht kontrolliert werden. Im Gegensatz zum Veterinäramt ist ein Tierschutzverein weder zum Handeln ermächtigt noch verpfichtet. Vereine haben auch keinerlei Befugnisse. Sie können sich weder den Zutritt erzwingen noch Aufagen erteilen und auch keine Tiere beschlagnahmen.

Ein Amtstierarzt bei einer Kontrolle.
Ein Amtstierarzt bei einer Kontrolle. Foto: © aktion tier

Welche Strafen drohen?

Verstöße wie schlechte Unterbringung, mangelnde Pfege oder unterlassene Tierarztbesuche können mit Bußgeldern bis zu 25.000 Euro geahndet werden, die jedoch oft wirkungslos bleiben, da die Tiermessies nicht zahlen können. Effektiver sind Tierhalte- und Betreuungsverbote nach Beschlagnahmungen.

Wenn Tiere z.B. durch Verhungern oder unbehandelte Krankheiten sterben, handelt es sich um Straftaten, die mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können. Oft werden Ermittlungen eingestellt, doch es deutet sich an, dass Gerichte den Tierschutz ernster nehmen und gelegentlich Haftstrafen verhängen.

Was kosten Animal Hoarding-Fälle?

Animal Hoarder verursachen enorme Kosten, besonders bei extremen Fällen mit vielen Tieren. Die medizinische Betreuung der Opfer ist langwierig und teuer, oft sind auch Operationen und eine spezielle Ernährung erforderlich. Die geretteten Tiere bleiben länger in Auffangstationen, da sie vor einer Vermittlung erst gesund gepfegt und sozialisiert werden müssen. Der erhöhte Betreuungsbedarf, oft mit Unterstützung von Tiertrainern, kann Jahre dauern. Zudem sind behinderte, chronisch kranke oder verhaltensauffällige Tiere schwer vermittelbar.

Ein Rechenbeispiel

Die Übernahme von 65 Hunden, die in einer alten Kaserne bei Vitzeroda gehalten wurden, hat aktion tier rund 130.000 Euro gekostet, da die Tiere krank, fehlernährt und verhaltensgestört waren. Vitzeroda war die letzte von mindestens fünf Stationen, an denen die Verantwortliche Marietta P. Tiere unter katastrophalen Bedingungen hielt.

Schätzungen zufolge hat diese Animal Hoarderin den Tierschutz und die Allgemeinheit insgesamt etwa 500.000 Euro gekostet. Nicht eingerechnet sind die zusätzlichen Kosten für Tierpfeger, Tiertrainer, Rechtsanwälte sowie Mitarbeiter von Veterinär- und Ordnungsämtern, die sich jahrelang mit dieser Straftäterin befassen mussten.

Kann sich ein Tiermessie ändern?

Eingefeischte Animal Hoarder lassen sich weder durch Aufagen noch Bußgelder stoppen. Selbst nach Verurteilungen sammeln sie oft bald wieder Tiere. Tierhalteverbote und Beschlagnahmungen wirken oft nur kurzfristig; ohne Therapie liegt die Rückfallquote bei über 90 %. Viele Animal Hoarder ziehen einfach in ein anderes Bundesland und machen weiter, weshalb eine dauerhafte Kontrolle durch die Veterinärbehörden notwendig ist.

Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Tierquäler-Zentralregister

Bereits 2015 hat sich aktion tier für ein bundesweites Animal Hoarder- und Tierquäler-Register eingesetzt und 10.500 Unterschriften gesammelt. Mit diesem Register könnten Veterinärämter überprüfen, ob Tierhalter in ihrem Zuständigkeitsbereich in der Vergangenheit, vielleicht auch an anderen Orten, auffällig geworden sind oder ein Tierhalteverbot haben. Wir freuen uns, dass der Bundesrat Ende 2022 die Bundesregierung aufgefordert hat, die Rechtsgrundlage für solch ein Register zu schaffen.

Das können Sie tun

Schon beim geringsten Anzeichen einer ausufernden Tierhaltung sollte das zuständige Veterinäramt eingeschaltet werden. Schon 10 Katzen oder 5 Hunde in einer kleinen Wohnung sind alarmierend. Eine behördliche Überprüfung ist hier erforderlich, um Schlimmeres zu verhindern.

Das Video zur Kampagne

Kampagnenflyer

Flyer "Animal Hoarding"

Den Informationsflyer zur Kampagne "Animal Hoarding - Wenn ausufernde Tierhaltungen zur Tierquälerei werden" stellen wir Ihnen hier kostenlos als Download zur Verfügung.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.

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